Reden im Landtag
Elisabeth Kula – Solidarität kann man nicht verbieten, Solidarität wird am Ende über Hass und Hetze siegen
In seiner 144. Plenarsitzung am 21. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde: „Dramatischer Kontrollverlust auf Lampedusa – die Ampel-Bundesregierung und die schwarz-grüne hessische Landesregierung brauchen endlich eine ‚neue Entschlossenheit' bei der Bekämpfung der Masseneinwanderung" Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste!
Die chaotischen Szenen auf Lampedusa sind eine bewusste Eskalation, aber eine, die vermeidbar gewesen wäre. Die Situation auf der Insel ist unerträglich. Es zeigt einmal wieder die seit Jahren gescheiterte EU-Migrationspolitik. Das Erstaufnahmezentrum, das etwa 400 Menschen aufnehmen kann, ist wieder einmal überfüllt. Am Mittwoch befanden sich dort mindestens 4.000 Menschen. Dass die Kapazitäten vor Ort nicht erweitert werden und schon seit Jahren nicht erweitert wurden, gehört zu der politischen Strategie. Wie schon auf Lesbos werden auf Lampedusa Ressourcen verknappt, um dann solche Bilder, wie wir sie jetzt sehen mussten, zu produzieren. Das spielt dann eben nicht nur Meloni und anderen rechten und faschistischen Kräften in Europa in die Hände, sondern allen, die die weitere Abschottung Europas vorantreiben wollen.
Opfer der Politik der Rechten sind zuvorderst die Menschen, die in Europa Schutz vor Krieg, Vertreibung, Klimakatastrophen oder Armut suchen. So starb vor einer Woche ein fünf Monate altes Baby im Chaos einer Rettungsaktion vor der Insel. Es ist ein notwendiger Akt der Humanität und der Rechtsstaatlichkeit, diese Zustände auf Lampedusa endlich zu beenden.
(Beifall DIE LINKE)
Die Kapazitäten müssen ausgebaut und Geflüchtete schneller nach einem obligatorischen Verteilungsmechanismus verteilt werden können. Diejenigen, die sich aber am meisten dagegen wehren, Geflüchtete aufzunehmen und Italien, Griechenland zu entlasten, sind dann auch diejenigen, die sich über die Zustände und die vielen Menschen, die an den Außengrenzen festsitzen, beschweren. Brüder und Schwestern im Geiste der AfD in Ungarn und Polen sind es doch, die durch ihre Blockade in der EU dazu beitragen, dass die Lager an den EU-Grenzen überfüllt sind.
(Beifall DIE LINKE)
Sich dann hierhin zu stellen und sich zu beklagen, das ist wohlfeil, und das ist auch böswillig, meine Damen und Herren.
(Beifall Jan Schalauske (DIE LINKE))
Wir brauchen in Europa endlich eine tragfähige solidarische und obligatorische Umverteilung von Geflüchteten ab Tag 1 und ein Ende dieser Abschreckungspolitik.
(Beifall DIE LINKE – Dr. Frank Grobe (AfD): Wir haben Dublin!)
Stattdessen erleben wir aktuell einen Überbietungswettbewerb bei Abschottungsrhetorik. Von CDU bis hin zu SPD und GRÜNEN lässt man sich auf die Stichworte von rechts außen ein. Die „taz“ hat das aufgegriffen und titelte gestern mit der Schlagzeile: „Die neue deutsche Abwehrkette“. Nancy Faeser will mehr abschieben und lobt die GEASReform mit Schnellverfahren und noch mehr Grenzlagern als historischen Erfolg. Boris Rhein und die Merz-CDU wollen illegale Migration begrenzen und verschweigen dabei, dass auch sie dafür verantwortlich sind, dass es an legalen Fluchtwegen mangelt. Die GRÜNEN-Vorsitzende Ricarda Lang fordert die FDP auf, für mehr Rückführungsabkommen zu sorgen. Gleichzeitig werden Bäckerlehrlinge aus Hessen abgeschoben und schmutzige Deals mit diktatorischen Machthabern geschlossen, die dazu führen, dass vielleicht weniger Geflüchtete auf dem Mittelmeer ertrinken, aber eben mehr von ihnen in der tunesischen und libyschen Wüste elendig verdursten.
Meine Damen und Herren, wo soll das alles noch hinführen, frage ich Sie. Das ist doch wirklich der komplett falsche Weg.
(Beifall DIE LINKE – Zuruf AfD: Nehmen Sie sie doch auf!)
Bringt die Aushöhlung von Menschenrechten etwas im Kampf gegen rechts? Wird die AfD aktuell schwächer? Nein, es macht die Rechten noch stärker.
(Zuruf AfD: Vernunft siegt halt!)
Man müsste doch mittlerweile gemerkt haben, dass man sie nicht schwächt, indem man ihre Forderungen übernimmt. Man macht sie damit noch stärker.
(Zuruf AfD: Das ist gut so!)
Die Rechten radikalisieren sich weiter. Bis in die CDU hinein hört man mittlerweile die Forderung nach der Abschaffung des Asylrechts. Bis vor ein paar Jahren hat das nur die NPD und dann die AfD gefordert.
(Robert Lambrou (AfD): Wann haben wir das denn gefordert? Jetzt hören Sie mal auf! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)
Statt immer mehr Abschottung braucht es eine solidarische Flüchtlingspolitik in der EU. Wissen Sie, warum aktuell so viele Menschen auf Lampedusa ankommen? Weil aktuell so viele zivile Seenotrettungsschiffe, die Menschen vor dem Ertrinken retten, im Mittelmeer unterwegs sind wie nie zuvor. Sie tun das trotz fehlender Gelder unter anderem aus dem deutschen Außenministerium. Das zeigt: Egal, wie viel Sie alle dafür tun, die Mauern um Europa immer höher zu bauen, egal, wie sehr Sie Seenotrettung kriminalisieren, Solidarität kann man nicht verbieten. Solidarität wird am Ende über Hass und Hetze siegen.
(Beifall DIE LINKE)