Reden im Landtag

Elisabeth Kula – In 10 Jahren Schwarz-Grün blieb nötiger Politikwechsel für sozial-ökologische Wende aus – LINKE ist wichtiges Korrektiv im Hessischen Landtag

Elisabeth KulaSozialesUmwelt- und Klimaschutz

In seiner 140. Plenarsitzung am 19. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über den Setzpunkt der SPD – einem Antrag mit dem Betreff „Hessen 2030 – die Weichen jetzt aktiv für ein modernes und zukunftssicheres Land stellen“. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wenn man diese Debatte ein bisschen verfolgt hat, fragt man sich schon, in welcher Parallelwelt manche Debattenteilnehmer leben. Ich schaue einmal in die Richtung von Frau Claus und auch von Herrn Lichert. Irgendwie habe ich das nicht so richtig verstanden. Das Theater zwischen Selbstlob der Landesregierung und Gehampel in der Ampel braucht Hessen nun wirklich nicht.

An dieser Stelle will ich der SPD-Fraktion noch einmal Danke sagen, dass wir mit diesem Setzpunkt die Möglichkeit haben, einmal ein Resümee zu ziehen. Das hat auch Frau Claus gesagt. Aber natürlich fällt unser Resümee etwas anders und vielleicht etwas realitätsbezogener aus als das von Frau Claus.

Nach zehn Jahren schwarz-grüner Landesregierung müssen wir feststellen, dass unser Bundesland weder sozialer noch ökologischer oder demokratischer geworden ist. Im Gegenteil: Die Armut ist in Hessen unter Schwarz-Grün weiter gewachsen und befindet sich auf einem Höchststand. Mittlerweile lebt jeder fünfte Erwachsene, jedes vierte Kind und fast jede zweite Alleinerziehende in Armut. Immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie am Monatsende noch über die Runden kommen sollen.

Gleichzeitig steigt aber auch die Zahl der Einkommensmillionäre in Hessen immer weiter an. Mittlerweile sind es über 2.000 Menschen in Hessen. Die oberen 10 % besitzen mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens in Hessen.

(Zuruf AfD: Wo ist das SED-Vermögen?)

Armut und Reichtum sind zwei Seiten derselben Medaille. Um es mit Bertolt Brecht zu sagen:

Reicher Mann und armer Mann standen da und sahen sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.

Das gilt auch heute noch.

(Beifall DIE LINKE)

Unter der schwarz-grünen Landesregierung ist die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen. Die Wohlfahrtsverbände und wir als LINKE mahnen seit Jahren an, Programme zur Armutsbekämpfung auf den Weg zu bringen. Aber bei Schwarz-Grün haben arme Menschen leider keine Priorität.

Ich muss aber leider sagen: Auch im vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion, der so ein bisschen das Wahlprogramm der SPD zusammenfasst, kommen die Worte Armut oder Reichtum überhaupt nicht vor, also die beiden Seiten der Medaille. Ich finde, das ist nicht ausreichend.

Meine Damen und Herren, es ist die Fraktion DIE LINKE, die dafür Sorge trägt, dass das Thema der sozialen Spaltung in den Landtag getragen wird. Wir bleiben dabei: Die genannten Zahlen aus dem Landessozialbericht sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Armutszeugnis für Schwarz-Grün.

(Beifall DIE LINKE)

Die soziale Spaltung in unserem Land zeigt sich auch an unseren Schulen. Während so viele Schülerinnen und Schüler wie noch nie eine Privatschule besuchen, sind es gerade Kinder aus den benachteiligten Familien, die in unserem Schulsystem zurückgelassen werden. Alle Bildungsstudien zeigen uns, dass der Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und dem Bildungserfolg noch stärker geworden ist. Gleichzeitig bröckelt an vielen Schulen der Putz. Es fehlt an Aufenthaltsräumen, an Mensen und an digitaler Ausstattung. Dadurch, dass man sich jahrelang den Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern kleingerechnet hat, haben wir jetzt einen riesigen Lehrkräftemangel. Das Studium bereitet nicht ausreichend auf den Lehrerberuf vor. Die Verantwortung für Aufgaben wie die Inklusion und die Digitalisierung wird auf die Schulen abgewälzt. Der Kultusminister macht sich einen schlanken Fuß.

Der ganzen unverantwortlichen Schulpolitik von SchwarzGrün wurde im letzten Jahr noch die Krone aufgesetzt, als Sie mit der Änderung des Schulgesetzes geregelt haben, dass die Tablets für Schüler nicht unter die Lernmittelfreiheit fallen, ergo in Zukunft selbst mitgebracht werden sollen. Das ist zutiefst sozial ungerecht. Die Lernmittelfreiheit muss auch im digitalen Zeitalter gelten und darf nicht immer weiter ausgehöhlt werden. So zementiert man die Bildungsungerechtigkeit, statt sie abzubauen.

(Beifall DIE LINKE)

Ungerecht ist weiterhin die Regelung beim Schülerticket. Wie kann es sein, dass immer noch die Schülerinnen und Schüler, die vermeintlich zu nah an der Schule wohnen, das Ticket nicht bezahlt bekommen, aber die Freundin, die vielleicht im Haus nebenan wohnt, es bezahlt bekommt? Das kann man wirklich niemandem erklären. In Zeiten des 49-€-Tickets und der Klimakrise müssen solche absurden Regelungen endlich der Vergangenheit angehören. Das Schülerticket kostenfrei für alle Schülerinnen und Schüler, das fordern wir als LINKE schon lange.

(Beifall DIE LINKE)

In Hessen haben wir von Anfang an Druck gemacht, damit das 9-€-Ticket zumindest als Sozialticket weitergeführt wird. Jetzt konnte sich Schwarz-Grün dazu durchringen, ein solches einzuführen. Aber zum einen ist es mit 31 € für viele Menschen leider immer noch zu teuer. Zum anderen ist und bleibt das Ticket eine Abofalle, wenn man dieses Ticket nicht jeden Monat einzeln kaufen kann. Das ist für arme Menschen weiterhin ein echtes Problem.

Absurd ist, dass gleichzeitig die Preise für Einzelfahrscheine im ÖPNV um satte 8,2 % angehoben werden. Der grüne Verkehrsminister hat sich im letzten Jahr noch dafür gefeiert, dass das Land Rekordsummen für den ÖPNV ausgibt. Blöd ist dann nur, wenn der Geschäftsführer des RMV in der Presse sagt, dass die Mittel nur dafür ausreichen werden, das bisherige Angebot im ÖPNV zu halten, aber nicht dafür, den ÖPNV auszubauen. Der war schon zu diesem Zeitpunkt eine Katastrophe. Wir brauchen mehr ÖPNV, vor allem im ländlichen Raum.

Mit der Inflation führte das dazu, dass die Preise für Einzelfahrttickets noch weiter ansteigen. Das trifft wieder genau diejenigen, die sich die Abomodelle nicht leisten können. Das ist sozial ungerecht.

(Beifall DIE LINKE)

Wer die Verkehrswende in Hessen wirklich will, der darf keine Wälder für Autobahnen roden und keinen weiteren Ausbauprojekten in Hessen zustimmen, sondern muss massiv in Schienen und Busse investieren, die Fahrpreise senken und Bahnstrecken reaktivieren. Da ist aber in den gesamten zehn Jahren Schwarz-Grün nichts passiert. Sie haben keine stillgelegten Strecken reaktiviert.

Tarek Al-Wazir hat sowieso seit einiger Zeit den politischen Kompass komplett verloren.

(Beifall Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten))

So berichtete die „Zeit“, er habe gesagt, er habe Angst vor einer Radikalisierung der Klimaschutzbewegung. Das sagt ein grüner Verkehrsminister.

(Zuruf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also, ich habe keine Angst vor jungen Menschen, die sich an der Straße festkleben. Ich habe Angst vor der Radikalisierung des Klimawandels, und genau darum sollte sich der Superminister kümmern, und nicht jungen Menschen mit gehobenem Zeigefinger sagen, wie sie zu demonstrieren haben.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn jetzt Boris Rhein mit den Schlagworten „Herz, Härte und Hightech“ in den Wahlkampf gehen will, dann fragt man sich schon, für wen diese Landesregierung bisher eigentlich ein Herz hatte und wem gegenüber sie Härte gezeigt hat. Ein Herz hatte sie auf jeden Fall für Immobilienkonzerne. Härte hingegen zeigte sie gegenüber Mieterinnen und Mietern.

Schwarz-Grün geht nicht gegen Leerstand und Zweckentfremdung vor. Die Nassauische Heimstätte verkauft öffentlich geförderte und bezahlbare Wohnungen. Beim sozialen Wohnungsbau ist die Landesregierung ein Totalausfall. Unter Schwarz-Grün ist der Bestand an Sozialwohnungen in Hessen um 25 % zurückgegangen. Noch nie gab es so wenige Sozialwohnungen in Hessen wie im Jahr 2020. (Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele Wohnungen habt ihr noch mal in Berlin verkauft? 60.000? Das ist ohne Worte! – Weitere Zurufe)

Gleichzeitig hat mittlerweile die Hälfte der Bevölkerung Anspruch auf eine sozial geförderte Wohnung. So schafft man Konkurrenz unter denen, die auf dem vollkommen wahnwitzigen Wohnungsmarkt keine bezahlbare Wohnung finden, statt für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.

Es braucht endlich einen Politikwechsel in der Wohnungspolitik, hin zur Schaffung von bezahlbarem und öffentlich gefördertem sozialem Wohnraum – ein Herz für Mieterinnen und Mieter statt für Konzerne.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Aber auch in anderen Bereichen applaudiert man von der schwarz-grünen Regierungsbank, wenn Konzerne sprudelnde Gewinne machen: So bezeichnet Tarek Al-Wazir die Lieferung von Leopard-2-Panzern in der „hessenschau“ als „gute Nachricht … für den Wirtschaftsstandort“. Wenn mit Krieg Geld verdient wird, dann ist das keine gute, sondern eine schlechte Nachricht – nicht nur für Hessen, sondern für die gesamte Menschheit, meine Damen und Herren. Über blutige Profite für die Rüstungsindustrie kann ich persönlich mich nicht freuen.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Alexander Bauer (CDU))

Als letzten Punkt kann ich Ihnen aber eines der größten Versagen dieser Landesregierung wirklich nicht ersparen. Im Kampf gegen rechts ist diese Landesregierung, insbesondere ihr Skandalinnenminister Peter Beuth, ein Totalausfall. Hessen hat sich leider zum Hotspot rechten Terrors entwickelt, mit dem NSU, der Ermordung von Walter Lübcke durch einen behördenbekannten Neonazi, mit dem Terror in Hanau und dem Anschlag von Wächtersbach; und die regierungstragenden Fraktionen, insbesondere der Innenminister, glänzen durch Vertuschen und Verharmlosen der Verantwortung der eigenen Sicherheitsbehörden.

(Alexander Bauer (CDU): Frechheit!)

Ob rechtsextreme Chatgruppen oder verschwundene Waffen bei der hessischen Polizei: Konsequenzen und Verantwortungsübernahme bleiben aus. Dass Peter Beuth immer noch im Amt ist, ist eigentlich ein politischer Skandal und der unerschütterlichen Treue der GRÜNEN zu verdanken, die dem Innenminister die Treue gehalten haben.

(Alexander Bauer (CDU): Er ist der erfolgreichste Innenminister in den letzten 20 Jahren! – Lachen und Zurufe SPD, Freie Demokraten und DIE LINKE)

– Wie bitte?

(Unruhe)

Ich verstehe ja die Erheiterung, aber Minister Beuth hat sich wirklich einiges zuschulden kommen lassen.

Ich will jetzt noch eine ernsthafte Sache anfügen, die wirklich wichtig ist.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das andere war also nicht ernsthaft, alles klar!)

Dass Minister Beuth es bei seiner letzten Befragung im Untersuchungsausschuss zu Hanau nicht zustande brachte, sich bei den Angehörigen der Opfer für nachgewiesene Fehler bei der Polizei zu entschuldigen, das zeigt, dass diesem Innenminister wirklich jeder politische Anstand fehlt, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Darüber kann man sich jetzt lustig machen; ich finde aber, es ist ein sehr ernstes Thema.

Wir als LINKE wollen für Hessen eine andere Politik, eine Politik für die Mehrheit der Menschen, die Armut bekämpft, Reichtum umverteilt, Arbeit durch höhere Tarifbindungen schafft, Investitionen in Klimaschutz, in Bildung, in Krankenhäuser und bezahlbaren Wohnraum tätigt, sodass die Lebensverhältnisse der Menschen wirklich spürbar verbessert werden.

Einige von der SPD aufgeschriebene Forderungen in dem Antrag können wir durchaus unterstützen. Die Erfahrung zeigt aber, dass die SPD in der Opposition auch gerne mal links blinkt, aber, wenn sie in Regierungsverantwortung ist, gerne auch wieder rechts abbiegt. Das kann man gerade an der Kürzungspolitik der Ampel bei Pflege, Bildung und Kindergrundsicherung sehr gut beobachten.

Vizepräsident Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn:

Frau Kollegin, Sie machen einen ganz langen letzten Satz.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Das ist jetzt der letzte Satz. – Nein, ich bleibe dabei: Wer Schwarz-Grün abwählen und weiterhin eine starke Stimme für den sozial-ökologischen Umbau haben will, der muss DIE LINKE stark machen.

(Beifall DIE LINKE)