Reden im Landtag
Elisabeth Kula – Hessische Bildungsmisere endlich beenden – DIE LINKE unterstützt die Proteste für eine Bildungswende
In seiner 144. Plenarsitzung am 21. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag über Bildungspolitik, Lehrermangel und Unterrichtsausfall. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste!
Mit der AfD muss man wirklich nicht über Bildungspolitik diskutieren. Sie behaupten ja immer, Sie seien die Partei des kleinen Mannes – Frauen sind dann auch immer mit gemeint –, aber Sie wollen die Ganztagsbetreuung an den Schulen ersatzlos streichen. Ich glaube, das muss man den Menschen immer wieder sagen, wenn Sie anfangen, irgendetwas von Bildungspolitik zu erzählen.
(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf Klaus Herrmann (AfD))
Gestern sind 2.500 Menschen in fünf verschiedenen Städten in Hessen auf die Straße gegangen, um gegen die tagtägliche Bildungskrise und die realitätsferne Bildungspolitik des Hessischen Kultusministers zu protestieren und um CDU und GRÜNE, die in Hessen Verantwortung tragen, endlich aus ihrem Schlafwagen-Wahlkampf aufzuwecken.
Bildung ist das landespolitische Thema Nummer eins, das die Menschen am meisten umtreibt, und das völlig zu Recht. Der Normalzustand an unseren Kitas, Schulen und Hochschulen ist geprägt von anhaltender Überlastung der Lehrkräfte und des Personals, die mittlerweile zu hohen Krankenständen führt.
Ich war in diesem Jahr an Schulen, in denen 50 % der Belegschaft krankheitsbedingt ausfielen. Die Arbeitszeitstudie der GEW zeigt auf, dass mehr als jede fünfte Lehrkraft in Frankfurt 48 Stunden die Woche arbeitet. Dazu kommen Lehrer-Tablets, mit denen man eigentlich gar nichts anfangen kann, etliche Berichtspflichten und dazu noch ein Kultusminister, der nicht weiß, wie viele Stellen unbesetzt sind, wie viel Unterricht ausfällt oder wie hoch der Sanierungsstau ist. Dieser Kultusminister ist die personifizierte Verantwortungslosigkeit.
(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)
Den Schulen wurden in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben zugesprochen, ohne die entsprechende Entlastung zu schaffen. Das führt dann dazu, dass Lehrkräfte frühzeitig in den Ruhestand gehen, weil sie es schlichtweg nicht mehr schaffen, an einer Schule zu arbeiten. Ein Großteil der Lehrerinnen und Lehrer geht gar nicht davon aus, das Pensionsalter gesund zu erreichen. Das Einzige, was dem Kultusminister dann einfällt – wir haben gerade von Herrn May gehört, was der Regierung einfällt –, ist die Schaffung von mehr Stellen, die aber gar nicht besetzt werden können, und vielleicht noch das Drehen von kleinen Werbefilmchen, die an der Alltagsrealität einer Lehrkraft weit vorbeigehen. Dabei könnte man doch einmal damit anfangen, den Lehrkräften, die in Hessen nur befristet arbeiten und nur befristete Verträge haben, endlich eine langfristige Perspektive anzubieten und die Verträge zu entfristen.
(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)
Wie absurd ist es denn, auf der einen Seite von Lehrkräftemangel zu reden und denjenigen, die tagtäglich gute Arbeit an unseren Schulen machen, keine Perspektive zu geben? Die Höhe ist dann noch, dass immer noch 3.000 von diesen befristeten Beschäftigten an Schulen über die Sommerferien entlassen werden und auf Bürgergeld angewiesen sind. So kann man doch nicht mit den eigenen Beamtinnen und Beamten und vor allem Beschäftigten umgehen. So macht man den Beruf eben nicht attraktiv – ganz im Gegenteil. Man muss endlich an die Arbeitsbedingungen ran.
(Beifall DIE LINKE)
Die GEW hat einen Investitionsbedarf von etwa 5 Milliarden € zur Sanierung unserer Schulgebäude ermittelt. Es kommt immer wieder vor, dass Schulen aufgrund von baulicher Gefährdung schließen müssen, dass Schulen noch mit Asbest belastet sind, dass Fenster sich nicht öffnen lassen, dass nicht gelüftet werden kann, dass Schultoiletten nicht benutzbar sind, dass Lehrkräfte Einrichtungsgegenstände für das Klassenzimmer selbst kaufen müssen. Das kann doch wirklich nicht wahr sein. Meine Damen und Herren, unsere öffentlichen Schulen müssen die modernsten und bestausgestatteten, statt die baufälligsten Gebäude einer Stadt sein.
(Beifall DIE LINKE)
Letztes Jahr haben wir als LINKE einen Gesetzentwurf eingebracht, der dem Land Hessen ermöglicht hätte, die Kommunen bei der Sanierung der Schulen zu unterstützen. Aber statt eigene Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen, haben Sie uns sogar die Anhörung zu dem Gesetzentwurf verweigert, was ein absolut unterirdisches parlamentarisches Verfahren ist. Somit ist das kommunale Investitionsprogramm KIP III, das in Ihrem Koalitionsvertrag steht, ausgefallen.
Die flapsige Begründung lautete – wir haben es gerade wieder gehört –, man habe ja schon den Digitalpakt kofinanziert. Schön, dann haben wir jetzt vielleicht ein paar Whiteboards; aber wenn es durch die Fenster regnet, dann kann es nicht mehr lange dauern, bis die Whiteboards nicht mehr funktionieren. Meine Damen und Herren, was ist das denn für eine Logik Ihrer Politik?
(Beifall DIE LINKE – Zurufe CDU: Oh!)
Dazu kommt, dass die Ampel jetzt scheinbar die Fortführung des Digitalpakts aufgekündigt hat.
(René Rock (Freie Demokraten): Das stimmt doch überhaupt nicht!)
Ein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Rüstung und Militär ist von heute auf morgen möglich; aber wenn es um Bildung und Soziales geht – Stichwort: Kindergrundsicherung –, soll auf einmal kein Geld mehr da sein. Das ist eine Politik, die die soziale Spaltung vertieft und Brandbeschleuniger für rechts außen ist. Diese vollkommen praxisferne Politik wollen sich die Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler nicht länger gefallen lassen. Wir stehen an ihrer Seite und sagen: Es braucht jetzt eine Bildungswende.
(Beifall DIE LINKE)