Reden im Landtag

Elisabeth Kula – Für Gleichstellung queerer Lebensweisen ist noch viel zu tun – Akzeptanz und Vielfalt müssen täglich erkämpft werden

Elisabeth KulaInnenpolitikQueer

In seiner 141. Plenarsitzung am 20. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Neuer Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt 2.0 – 65 Maßnahmen für gesellschaftliche Vielfalt in Hessen“. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Queeres Leben in Hessen ist vielfältig, bunt und lebendig, auch wenn es den Vertretern des rechten Randes nicht gefällt.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD – Zurufe AfD)

Außerdem ist die Community politisch; denn wir wissen: Stonewall was a riot.

Unser Kampf um Gleichberechtigung und Akzeptanz ist auch im Jahr 2023 bei all den politischen Erfolgen, die schon erreicht worden sind, noch lange nicht vorbei. Noch immer sind queere Menschen erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt, sowohl rechtlich als auch gesellschaftlich. Es bleibt politisch noch viel zu tun, sei es die Reform des Abstammungsrechts, um die Ungleichbehandlung lesbischer Paare zu beenden, oder ein diskriminierungsfreies Selbstbestimmungsgesetz.

Daneben sehen sich queere Menschen auch immer mehr dazu gezwungen, gesellschaftlich zu intervenieren. Der Kulturkampf von rechts, den wir auch gerade wieder gehört haben, gegen unsere Rechte, vor allem gegen Trans und alle, die nicht in das Weltbild von Demagogen passen, wird mit Falschbehauptungen und Angstmache geführt.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Das machen Sie doch gerade!)

Dieser Entwicklung müssen wir uns stellen und immer wieder für diejenigen einstehen, die im Mittelpunkt der Anfeindungen stehen. Die CSDs in diesem Sommer zeigen eindrücklich: Wir lassen uns nicht spalten oder einschüchtern und setzen uns auch weiterhin selbstbewusst für unsere Rechte ein.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Aber auch auf Landesebene gibt es noch eine ganze Menge zu tun gegen Diskriminierung und für Gleichstellung. Deswegen ist es erst einmal gut, wenn die Landesregierung gemeinsam mit den Akteuren und Trägern der Community den Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt, den es seit 2017 gibt, fortschreibt und deutlich mehr Mittel dafür zur Verfügung stellt.

Ich hätte mir trotzdem gewünscht, dass der alte Plan erst einmal richtig und ehrlich evaluiert wird. Denn darin stehen noch Maßnahmen, die nicht umgesetzt wurden, wie beispielsweise der Kita-Koffer mit Materialien, die queere Lebensweisen abbilden.

(Dr. Frank Grobe (AfD): Frühsexualisierung ist das! Unmöglich! – Weitere Zurufe AfD)

Das Konzept dafür versauert immer noch in einer Schublade des Ministeriums, weswegen sich pro familia Wiesbaden selbst mit eingeschränkten Mitteln auf den Weg gemacht hat und einen solchen Koffer zum Verleih anbietet.

Auch im Aktionsplan 2.0 stehen viele richtige und gute Maßnahmen. Allerdings fehlen auch einige Aspekte in Ihren Handlungsfeldern. Die Ombudsstelle für Kinder- und Jugendrechte, die zukünftig auch die Belange queerer junger Menschen berücksichtigen soll, steht vor einer generellen Neuaufstellung, die seit eineinhalb Jahren geplant, aber aus dem Ministerium blockiert wird. Da wäre es jetzt an der Zeit, diese Blockadehaltung endlich aufzugeben.

(Beifall DIE LINKE)

Schade finde ich auch, dass die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf gleichgeschlechtliche Pflege es nicht in den Aktionsplan geschafft hat und die Berufsgruppe der Ärztinnen und Ärzte im Handlungsfeld zu Gesundheit fehlt. Schließlich kam vor einigen Monaten ans Licht, dass Amtsärzte im Gesundheitsamt in Wiesbaden homophobe Entscheidungen bei Adoptionsverfahren getroffen haben. Also auch da gibt es Handlungsbedarf.

Auch schützt die Istanbul-Konvention nicht nur Frauen und Mädchen, sondern auch Männer, z. B. Trans- oder Inter-Männer. Auch das ist eine Leerstelle im Aktionsplan.

Es ist sehr löblich, dass Diversitätsgrundsätze für das HMSI erarbeitet werden sollen, aber man fragt sich schon: Warum nur für das Sozialministerium und nicht für die gesamte Landesregierung? Die Landesregierung besteht schließlich aus mehr Ministerien als dem Sozialministerium.

(Beifall DIE LINKE)

Auch im Handlungsfeld zur Erinnerungskultur fehlt ein Teil der Aufarbeitung, etwa die Homosexuellenverfolgung durch Polizei und Justiz im Frankfurt der Fünfzigerjahre. Auch da sollte noch mehr getan werden.

Die größte Leerstelle dieser Landesregierung bei diesem Thema ist aber ihre Untätigkeit, um Schutzlücken beim Antidiskriminierungsrecht zu schließen. Benachteiligungen im Bereich staatlichen Handelns werden nicht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz abgedeckt. Dafür braucht es eigene Antidiskriminierungsgesetze auf Landesebene.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

– Turgut sieht das auch so. – Erste Erfahrungen mit dem 2020 eingeführten Berliner Landes-Antidiskriminierungsgesetz verdeutlichen die Notwendigkeit des rechtlichen Schutzes vor diskriminierendem Behördenhandeln. Über 20 % der Diskriminierungsfälle bei Berliner Beratungsstellen sind auf das Handeln staatlicher Behörden zurückzuführen, darunter Bezirks-, Bürger-, Standes- und Jugendämter, ÖPNV, Polizei und öffentliche Hochschulen.

Wir haben Ihnen als LINKE einen Gesetzentwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vorgelegt. Sie haben ihn abgelehnt, ohne selbst ein eigenes Gesetz vorzulegen. Dadurch tragen Sie die Verantwortung, dass es in Hessen weiterhin keinen Schutz vor erheblichen Diskriminierungserfahrungen gibt.

Zum Schluss. Die Fortschreibung des Aktionsplanes ist richtig und wichtig, aber auch darüber hinaus gibt es noch viel zu tun für Akzeptanz und rechtliche Gleichstellung.

Ich sage es einmal so: Dies ist wahrscheinlich auch ein bisschen eine Abschiedsdebatte für den Sozialminister. Ich finde, es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt und erst einmal gut für die Community, dass ein queerer Mann als Sozialminister in dieser Landesregierung vertreten war. Auch wenn ich nicht mit allen politischen Sachen einverstanden war, wünsche ich ihm für sein privates Leben alles Gute.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)