Reden im Landtag

Elisabeth Kula – Eritrea-Festival: AfD betreibt rassistische Mobilisierung

Elisabeth KulaInnenpolitikMigration und Integration

In seiner 141. Plenarsitzung am 20. Juli 2023 diskutierte der Hessische Landtag über einen Antrag der AFD zur Durchführung einer Aktuellen Stunde mit dem Titel „Schwere Ausschreitungen rund um das Eritrea-Festival in Gießen – Die gescheiterte Migrationspolitik von CDU, GRÜNEN, SPD, FDP und LINKE führt zunehmend zu Heimatland-Konflikten in Deutschland“. Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

Wir müssen heute Morgen leider wieder ein Paradebeispiel rassistischer Mobilisierung und Meinungsmache vonseiten der AfD erleben,

(Zurufe AfD: Oh! – Glockenzeichen)

die ihre Hetze gegen Geflüchtete und Politikerinnen und Politiker aller anderen Parteien von einer Gruppe gewalttätiger Demonstranten am Rande des Eritrea-Festivals in Gießen vor zwei Wochen ableitet.

Ich darf nur daran erinnern, dass wir erst gestern über die Lehren aus dem Lübcke-Untersuchungsausschuss gesprochen haben. Dort ging es auch um die Rolle der AfD bei der Hetzkampagne gegen Walter Lübcke im Vorfeld seiner Ermordung. Da müssen wir zu dem Schluss kommen, dass die AfD die Hetzkampagne maßgeblich mitbetrieben hat. Wenn Sie sich heute, einen Tag nach dieser Debatte, hierhin stellen, um Politikerinnen und Politiker und Geflüchtete wieder ins Visier des rechten Mobs zu schieben, der seit zwei Wochen im Netz tobt, dann zeigen Sie damit eindrücklich, wie brandgefährlich die AfD wirklich ist. Sie ist und bleibt der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus.

(Beifall DIE LINKE, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andreas Lichert (AfD): Der Abg. Felstehausen hat sich gestern bei den Gewalttätern der Antifa bedankt! – Glockenzeichen)

Seit 2011 findet das sogenannte Eritrea-Festival in den Hessenhallen statt. Veranstalter ist der Zentralrat der Eritreer, der wegen seiner Nähe zum Regime als umstritten gilt. Schon vor dem Festival war absehbar, dass es zu Gewalt kommen könnte; denn bereits im vergangenen Jahr war die Veranstaltung eskaliert. Die Stadt Gießen hatte mehrfach versucht, das Festival zu untersagen, allerdings ohne Erfolg. Neben der Eskalation – das gehört auch dazu – fanden am Freitag und Sonntag aber auch friedliche Demonstrationen gegen das Festival statt.

Aber worum ging es eigentlich? Seit Ausbruch des eritreischen Unabhängigkeitskrieges 1961 fliehen viele Menschen aus dem Land. Früher waren es hauptsächlich Anhänger der späteren Regierungspartei der EPLF. Seit den 2010er-Jahren sind es viele junge Menschen, die vor dem diktatorischen Regime und der Zwangsarbeit im Nationaldienst fliehen. Diese Gruppen stehen sich auch in der Diaspora in Deutschland wenig wohlgesonnen gegenüber.

Ich möchte denjenigen widersprechen, die argumentieren, wie Innenminister Peter Beuth, aber auch der Kollege Hahn, die innereritreischen Konflikte hätten nichts mit Deutschland zu tun. Deutschland untersagt im Gegensatz beispielsweise zu den Niederlanden dem Regime nicht, Steuern von Landsleuten in Deutschland einzutreiben. Auch hessische Behörden drängen eritreische Staatsangehörige dazu, ihre Pässe zu beschaffen, wofür sie dann 2 % ihres Einkommens für Eritrea versteuern müssen. Das ist eine sehr lukrative Einnahmequelle des Regimes an den Sanktionen vorbei.

Außerdem unterstützt Deutschland gemeinsam mit anderen europäischen Ländern das Regime im Rahmen des Khartum-Prozesses, der Migrationsbewegungen regulieren soll. Das eritreische Regime soll laut UN-Berichten aber selbst an Menschenhandel beteiligt sein. Wir bleiben dabei: Nein, mit solchen Regimen schließt man keine Deals ab, um Geflüchtete abzuwehren – weder mit der Türkei noch mit Regimen auf dem afrikanischen Kontinent.

(Beifall DIE LINKE)

Solche Formen der Unterstützung des eritreischen Regimes will die AfD sogar noch ausweiten. So hat sie 2019 im Bundestag beantragt, Eritreas Wirtschaft zu subventionieren. Sich erst in den Konflikt einmischen und das Regime noch weiter gehend unterstützen wollen und sich dann hierhin stellen und darüber empören, dass der Konflikt auch in Deutschland eine Rolle spielt, ist pure Heuchelei und wohlfeil.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Zuruf Andreas Lichert (AfD))

Außerdem ergibt der Zusammenhang zwischen Migrationszahlen und Gewalt, den die AfD immer herstellt, überhaupt keinen Sinn. Seit den 2010er-Jahren ist die Zahl der Eritreer in Deutschland stark angestiegen. Ja, insbesondere gilt das für die Jahre 2014 und 2017. Aber die Anzahl der Asylanträge ist danach stark zurückgegangen. Sie lag 2022 deutschlandweit auf dem gleichen Niveau wie 2013. Wir wissen jetzt, dass das Eritrea-Festival seit 2011 stattfindet; und es hat bis zum letzten Jahr noch nie solche Ausschreitungen gegeben, auch nicht, als viel mehr Menschen aus Eritrea zu uns geflohen sind als heute.

Außerdem erhalten Geflüchtete aus Eritrea aktuell immer seltener einen Schutzstatus in Deutschland, trotz der unverändert desolaten Menschenrechtslage in Eritrea. Eine Aushöhlung des Rechts auf Asyl für Eritrea konnte also solche Ausschreitungen nicht verhindern. Denn Fakt ist: Wir wissen zu diesem Zeitpunkt doch überhaupt nicht, wer die Menschen waren.

(Zuruf AfD: Holländer!)

Das ist schlichtweg nicht ausermittelt. Zuvor hatte die Polizei mitgeteilt, dass einige Personen aus dem europäischen Ausland angereist sind.

Es ist jetzt die Aufgabe der Ermittlungsbehörden, diese Frage zu klären, und nicht die des Hessischen Landtags im Rahmen einer Aktuellen Stunde. Wenn Sie sich damit nicht beschäftigt haben, können Sie eben weiterhin gegen Geflüchtete hetzen. Manchen wäre auch anzuraten, sich mit dem Thema zu beschäftigen, bevor man in das mediale Trommelfeuer einsteigt. Dass der hessische Innenminister nach der Einberufung des eritreischen Botschafters gerufen hat, war wirklich hochnotpeinlich; den gibt es in Deutschland nämlich gar nicht.

(Beifall DIE LINKE)