Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula - Lehrerbildungsgesetz bleibt weit hinter Erwartungen und Anforderungen zurück

Elisabeth KulaBildung

In der 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Lehrerbildungsgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Endlich ist es so weit, kann man sagen. Die längst überfällige Novelle des Lehrerbildungsgesetzes hat den Landtag erreicht, jetzt legt die schwarz-grüne Landesregierung endlich etwas auf den Tisch.

Die Anforderungen und Erwartungen waren und sind hoch. Um es vorweg zu sagen – meine Kollegen von der Opposition haben es auch schon gesagt –: Dieses Gesetz entspricht in keiner Weise den Ansprüchen an eine moderne Lehrerbildung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten))

Vorneweg muss ich aber leider wieder einmal auf den Entstehungsprozess dieser Novelle eingehen. Es ist mittlerweile leider geübte Praxis der Landesregierung, Gesetzesvorhaben lange aufzuschieben und dann schnellstmöglich über die Bühne bekommen zu wollen. Auch beim Lehrerbildungsgesetz wurden wieder sämtliche Tricks aus der Mottenkiste gezogen. Die Anzuhörenden in der Regierungsanhörung wurden kurz vor den Sommerferien um Stellungnahme gebeten, und drei Wochen später sollte doch bitte die Antwort da sein. Ich meine, dass das schulischen Akteuren drei Wochen vor den Sommerferien ein bisschen schwerfällt, liegt auf der Hand. Außerdem hat man wieder einmal wichtige Stimmen einfach außen vor gelassen, nämlich diejenigen, die das Ganze am meisten betrifft. Die Lehramtsstudierenden wurden überhaupt nicht um Stellungnahme gebeten. Die haben sich auch danach mit einem offenen Brief darüber beschwert.

Herr Lorz, wie viele offene Briefe und Beschwerden braucht es eigentlich noch, bis Sie endlich Politik auf Augenhöhe mit denjenigen betreiben, die am meisten von Ihren Gesetzen betroffen sind?

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Heidemarie ScheuchPaschkewitz (DIE LINKE))

Vielleicht gehen Sie auch deshalb so vor, weil Sie ahnen, dass Ihre Novelle nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen wird, weder bei den Lehramtsstudierenden noch bei den Schulen, noch bei den Lehrkräften. Deswegen bin auch ich sehr gespannt auf die parlamentarische Anhörung im Ausschuss. Da werden sicherlich noch ein paar Stimmen zur Sprache kommen.

Ich will mich heute auf drei aus meiner Sicht zentrale Probleme Ihrer Novelle konzentrieren. Seit Jahren läuft eine bundesweite Debatte über die Aufwertung der Primarbildung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf anschaue, habe ich das Gefühl, dass Sie davon überhaupt nichts mitbekommen haben. Wir haben mehrfach die Forderung nach der gleichen Besoldung für alle Lehrämter nach A 13 auch in der Grundschule in den Landtag getragen. Mittlerweile sind die Grundschullehrkräfte den anderen Lehrkräften in der Besoldung in der Hälfte aller Bundesländer gleichgestellt.

Wie ist das in Hessen? – Gähnende Leere. Im Koalitionsvertrag haben Sie festgehalten – Frau Präsidentin, ich darf zitieren –:

Wir halten in dieser Frage ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen der Bundesländer für sinnvoll. Auch um den Lehrerbedarf für unsere Schulen zu sichern und Abwanderungen zu vermeiden, werden wir zu diesem Thema das Gespräch mit unseren Nachbarbundesländern suchen.

Super. Sie können jetzt ein intensives Gespräch mit Thüringen führen. Dort hat man nämlich im September 2021 Fakten geschaffen und die gleiche Besoldung für die Grundschullehrkräfte umgesetzt. Das ist doch ein gutes Vorbild für die Hessische Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber die schwarz-grüne Landesregierung hier weigert sich nach wie vor, den vielen Frauen an den Grundschulen A 13 zu zahlen. Ihre Begründung ist für uns heute besonders interessant. Das Grundschullehramt studiere man nur sieben Semester statt wie das Gymnasiallehramt zehn Semester. Kürzere Ausbildung bedeutet weniger Besoldung.

Deswegen hofften jetzt viele auf diese Novelle. In vielen Bundesländern wurde die Regelstudienzeit schon auf acht oder zehn Semester angehoben. Herr Kollege Degen hat das gerade aufgelistet.

Auf die Grundschulen, die Gemeinschaftsschulen sind, kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zu. Die haben Sie in der Begründung Ihrer Novelle aufgezählt. Dies sind die Inklusion, die Vielfalt, die Integration, die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Trotzdem soll es bei einer Regelstudienzeit von sieben Semestern bleiben. Das sind gerade einmal dreieinhalb Jahre für das Grundschullehramt und für das Haupt- und Realschullehramt.

Wo bleibt denn die im Koalitionsvertrag versprochene Prüfung einer zeitlichen Ausweitung des Lehramtsstudiums für die Grundschulen? Oder haben Sie die Prüfung schon durchgeführt, ohne uns einzubinden? Falls ja, was waren denn die Ergebnisse dieser Prüfung? Das würde mich interessieren.

Wir als LINKE bleiben dabei: Das Grundschullehramt muss mit einer längeren Regelstudienzeit und der Besoldung A 13 aufgewertet werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Stattdessen ist aber eine weitere Verdichtung des Stoffs während des Grundschullehramtsstudiums geplant. Studierende sollen zukünftig eines der drei Fächer als Langfach studieren. Dieses Unterrichtsfach soll dann gleichzeitig die Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I sein. In diesem Langfach werden dann deutlich mehr Leistungspunkte erbracht werden müssen. Wie soll das denn in sieben Semestern ohne Abstriche bei den Querschnittsthemen, die immer wichtiger werden, oder bei den anderen zwei Kurzfächern gehen? Das ist eine echte Schnapsidee, die zeigt, wie weit Sie von der Realität an den Schulen und an den Hochschulen entfernt sind.

Sollte das Grundschullehramt so umgesetzt werden, wie Sie es vorschlagen, würde es aufgrund seiner enormen Dichte und der schlechteren Besoldung hinterher nicht gerade attraktiver werden – um es vorsichtig zu sagen. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde dann bei einem eklatanten Lehrermangel gerade an den Grundschulen geschehen. Ab dem Jahr 2026 wird es ein Recht auf Ganztagsbetreuung geben. Das ist vollkommener Irrsinn.

Leider haben Sie sich beim Thema Vorbereitungsdienst nicht von der Realität an den Schulen beirren lassen. Sie wollen den Weg der Modularisierung weiter fortsetzen. Der Prüfungsmarathon im Referendariat wird keineswegs sicherstellen, dass am Ende befähigte Lehrkräfte herauskommen. Vielmehr wird Dienst nach Vorschrift gemacht werden. Das Referendariat wird dann häufig schon nach neun Monaten beendet werden.

Die Qualität der Betreuung im Referendariat durch Lehrkräfte an der Ausbildungsschule wird auch weiterhin nicht an erster Stelle stehen. Eine fachfremde Betreuung wird auch nach dieser Novelle möglich sein.

Trotz massiver Kritik am Vorbereitungsdienst findet weder eine Evaluation noch eine Reform des Referendariats statt. Das ist sehr ernüchternd. So viel kann ich Ihnen schon verraten: Das wird zu erheblicher Kritik von den Praktikern führen.

Man könnte jetzt noch viele andere Probleme Ihres Gesetzentwurfs ansprechen. Das betrifft die Umsetzung des Praxissemesters, förderpädagogische Elemente und Prüfungsfragen. Aber da würde ich gerne die Anhörung abwarten.

Insgesamt stellt einen dieser Gesetzentwurf nicht zufrieden. Angesichts der Herausforderungen, mit denen unsere Lehrkräfte tagtäglich an unseren Schulen konfrontiert werden, ist dieser Gesetzentwurf in keiner Weise angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuelle Pressemeldungen

Elisabeth Kula - Lehrerbildungsgesetz bleibt weit hinter Erwartungen und Anforderungen zurück

Elisabeth KulaBildung

In der 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Lehrerbildungsgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Endlich ist es so weit, kann man sagen. Die längst überfällige Novelle des Lehrerbildungsgesetzes hat den Landtag erreicht, jetzt legt die schwarz-grüne Landesregierung endlich etwas auf den Tisch.

Die Anforderungen und Erwartungen waren und sind hoch. Um es vorweg zu sagen – meine Kollegen von der Opposition haben es auch schon gesagt –: Dieses Gesetz entspricht in keiner Weise den Ansprüchen an eine moderne Lehrerbildung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten))

Vorneweg muss ich aber leider wieder einmal auf den Entstehungsprozess dieser Novelle eingehen. Es ist mittlerweile leider geübte Praxis der Landesregierung, Gesetzesvorhaben lange aufzuschieben und dann schnellstmöglich über die Bühne bekommen zu wollen. Auch beim Lehrerbildungsgesetz wurden wieder sämtliche Tricks aus der Mottenkiste gezogen. Die Anzuhörenden in der Regierungsanhörung wurden kurz vor den Sommerferien um Stellungnahme gebeten, und drei Wochen später sollte doch bitte die Antwort da sein. Ich meine, dass das schulischen Akteuren drei Wochen vor den Sommerferien ein bisschen schwerfällt, liegt auf der Hand. Außerdem hat man wieder einmal wichtige Stimmen einfach außen vor gelassen, nämlich diejenigen, die das Ganze am meisten betrifft. Die Lehramtsstudierenden wurden überhaupt nicht um Stellungnahme gebeten. Die haben sich auch danach mit einem offenen Brief darüber beschwert.

Herr Lorz, wie viele offene Briefe und Beschwerden braucht es eigentlich noch, bis Sie endlich Politik auf Augenhöhe mit denjenigen betreiben, die am meisten von Ihren Gesetzen betroffen sind?

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Heidemarie ScheuchPaschkewitz (DIE LINKE))

Vielleicht gehen Sie auch deshalb so vor, weil Sie ahnen, dass Ihre Novelle nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen wird, weder bei den Lehramtsstudierenden noch bei den Schulen, noch bei den Lehrkräften. Deswegen bin auch ich sehr gespannt auf die parlamentarische Anhörung im Ausschuss. Da werden sicherlich noch ein paar Stimmen zur Sprache kommen.

Ich will mich heute auf drei aus meiner Sicht zentrale Probleme Ihrer Novelle konzentrieren. Seit Jahren läuft eine bundesweite Debatte über die Aufwertung der Primarbildung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf anschaue, habe ich das Gefühl, dass Sie davon überhaupt nichts mitbekommen haben. Wir haben mehrfach die Forderung nach der gleichen Besoldung für alle Lehrämter nach A 13 auch in der Grundschule in den Landtag getragen. Mittlerweile sind die Grundschullehrkräfte den anderen Lehrkräften in der Besoldung in der Hälfte aller Bundesländer gleichgestellt.

Wie ist das in Hessen? – Gähnende Leere. Im Koalitionsvertrag haben Sie festgehalten – Frau Präsidentin, ich darf zitieren –:

Wir halten in dieser Frage ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen der Bundesländer für sinnvoll. Auch um den Lehrerbedarf für unsere Schulen zu sichern und Abwanderungen zu vermeiden, werden wir zu diesem Thema das Gespräch mit unseren Nachbarbundesländern suchen.

Super. Sie können jetzt ein intensives Gespräch mit Thüringen führen. Dort hat man nämlich im September 2021 Fakten geschaffen und die gleiche Besoldung für die Grundschullehrkräfte umgesetzt. Das ist doch ein gutes Vorbild für die Hessische Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber die schwarz-grüne Landesregierung hier weigert sich nach wie vor, den vielen Frauen an den Grundschulen A 13 zu zahlen. Ihre Begründung ist für uns heute besonders interessant. Das Grundschullehramt studiere man nur sieben Semester statt wie das Gymnasiallehramt zehn Semester. Kürzere Ausbildung bedeutet weniger Besoldung.

Deswegen hofften jetzt viele auf diese Novelle. In vielen Bundesländern wurde die Regelstudienzeit schon auf acht oder zehn Semester angehoben. Herr Kollege Degen hat das gerade aufgelistet.

Auf die Grundschulen, die Gemeinschaftsschulen sind, kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zu. Die haben Sie in der Begründung Ihrer Novelle aufgezählt. Dies sind die Inklusion, die Vielfalt, die Integration, die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Trotzdem soll es bei einer Regelstudienzeit von sieben Semestern bleiben. Das sind gerade einmal dreieinhalb Jahre für das Grundschullehramt und für das Haupt- und Realschullehramt.

Wo bleibt denn die im Koalitionsvertrag versprochene Prüfung einer zeitlichen Ausweitung des Lehramtsstudiums für die Grundschulen? Oder haben Sie die Prüfung schon durchgeführt, ohne uns einzubinden? Falls ja, was waren denn die Ergebnisse dieser Prüfung? Das würde mich interessieren.

Wir als LINKE bleiben dabei: Das Grundschullehramt muss mit einer längeren Regelstudienzeit und der Besoldung A 13 aufgewertet werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Stattdessen ist aber eine weitere Verdichtung des Stoffs während des Grundschullehramtsstudiums geplant. Studierende sollen zukünftig eines der drei Fächer als Langfach studieren. Dieses Unterrichtsfach soll dann gleichzeitig die Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I sein. In diesem Langfach werden dann deutlich mehr Leistungspunkte erbracht werden müssen. Wie soll das denn in sieben Semestern ohne Abstriche bei den Querschnittsthemen, die immer wichtiger werden, oder bei den anderen zwei Kurzfächern gehen? Das ist eine echte Schnapsidee, die zeigt, wie weit Sie von der Realität an den Schulen und an den Hochschulen entfernt sind.

Sollte das Grundschullehramt so umgesetzt werden, wie Sie es vorschlagen, würde es aufgrund seiner enormen Dichte und der schlechteren Besoldung hinterher nicht gerade attraktiver werden – um es vorsichtig zu sagen. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde dann bei einem eklatanten Lehrermangel gerade an den Grundschulen geschehen. Ab dem Jahr 2026 wird es ein Recht auf Ganztagsbetreuung geben. Das ist vollkommener Irrsinn.

Leider haben Sie sich beim Thema Vorbereitungsdienst nicht von der Realität an den Schulen beirren lassen. Sie wollen den Weg der Modularisierung weiter fortsetzen. Der Prüfungsmarathon im Referendariat wird keineswegs sicherstellen, dass am Ende befähigte Lehrkräfte herauskommen. Vielmehr wird Dienst nach Vorschrift gemacht werden. Das Referendariat wird dann häufig schon nach neun Monaten beendet werden.

Die Qualität der Betreuung im Referendariat durch Lehrkräfte an der Ausbildungsschule wird auch weiterhin nicht an erster Stelle stehen. Eine fachfremde Betreuung wird auch nach dieser Novelle möglich sein.

Trotz massiver Kritik am Vorbereitungsdienst findet weder eine Evaluation noch eine Reform des Referendariats statt. Das ist sehr ernüchternd. So viel kann ich Ihnen schon verraten: Das wird zu erheblicher Kritik von den Praktikern führen.

Man könnte jetzt noch viele andere Probleme Ihres Gesetzentwurfs ansprechen. Das betrifft die Umsetzung des Praxissemesters, förderpädagogische Elemente und Prüfungsfragen. Aber da würde ich gerne die Anhörung abwarten.

Insgesamt stellt einen dieser Gesetzentwurf nicht zufrieden. Angesichts der Herausforderungen, mit denen unsere Lehrkräfte tagtäglich an unseren Schulen konfrontiert werden, ist dieser Gesetzentwurf in keiner Weise angemessen.

(Beifall DIE LINKE)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula - Lehrerbildungsgesetz bleibt weit hinter Erwartungen und Anforderungen zurück

Elisabeth KulaBildung

In der 92. Plenarsitzung am 14. Dezember 2021 debattierte der Hessische Landtag zum Lehrerbildungsgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Endlich ist es so weit, kann man sagen. Die längst überfällige Novelle des Lehrerbildungsgesetzes hat den Landtag erreicht, jetzt legt die schwarz-grüne Landesregierung endlich etwas auf den Tisch.

Die Anforderungen und Erwartungen waren und sind hoch. Um es vorweg zu sagen – meine Kollegen von der Opposition haben es auch schon gesagt –: Dieses Gesetz entspricht in keiner Weise den Ansprüchen an eine moderne Lehrerbildung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten))

Vorneweg muss ich aber leider wieder einmal auf den Entstehungsprozess dieser Novelle eingehen. Es ist mittlerweile leider geübte Praxis der Landesregierung, Gesetzesvorhaben lange aufzuschieben und dann schnellstmöglich über die Bühne bekommen zu wollen. Auch beim Lehrerbildungsgesetz wurden wieder sämtliche Tricks aus der Mottenkiste gezogen. Die Anzuhörenden in der Regierungsanhörung wurden kurz vor den Sommerferien um Stellungnahme gebeten, und drei Wochen später sollte doch bitte die Antwort da sein. Ich meine, dass das schulischen Akteuren drei Wochen vor den Sommerferien ein bisschen schwerfällt, liegt auf der Hand. Außerdem hat man wieder einmal wichtige Stimmen einfach außen vor gelassen, nämlich diejenigen, die das Ganze am meisten betrifft. Die Lehramtsstudierenden wurden überhaupt nicht um Stellungnahme gebeten. Die haben sich auch danach mit einem offenen Brief darüber beschwert.

Herr Lorz, wie viele offene Briefe und Beschwerden braucht es eigentlich noch, bis Sie endlich Politik auf Augenhöhe mit denjenigen betreiben, die am meisten von Ihren Gesetzen betroffen sind?

(Beifall DIE LINKE – Zuruf Heidemarie ScheuchPaschkewitz (DIE LINKE))

Vielleicht gehen Sie auch deshalb so vor, weil Sie ahnen, dass Ihre Novelle nicht auf besonders viel Gegenliebe stoßen wird, weder bei den Lehramtsstudierenden noch bei den Schulen, noch bei den Lehrkräften. Deswegen bin auch ich sehr gespannt auf die parlamentarische Anhörung im Ausschuss. Da werden sicherlich noch ein paar Stimmen zur Sprache kommen.

Ich will mich heute auf drei aus meiner Sicht zentrale Probleme Ihrer Novelle konzentrieren. Seit Jahren läuft eine bundesweite Debatte über die Aufwertung der Primarbildung in den Kindertagesstätten und den Grundschulen. Wenn ich mir diesen Gesetzentwurf anschaue, habe ich das Gefühl, dass Sie davon überhaupt nichts mitbekommen haben. Wir haben mehrfach die Forderung nach der gleichen Besoldung für alle Lehrämter nach A 13 auch in der Grundschule in den Landtag getragen. Mittlerweile sind die Grundschullehrkräfte den anderen Lehrkräften in der Besoldung in der Hälfte aller Bundesländer gleichgestellt.

Wie ist das in Hessen? – Gähnende Leere. Im Koalitionsvertrag haben Sie festgehalten – Frau Präsidentin, ich darf zitieren –:

Wir halten in dieser Frage ein abgestimmtes und einheitliches Vorgehen der Bundesländer für sinnvoll. Auch um den Lehrerbedarf für unsere Schulen zu sichern und Abwanderungen zu vermeiden, werden wir zu diesem Thema das Gespräch mit unseren Nachbarbundesländern suchen.

Super. Sie können jetzt ein intensives Gespräch mit Thüringen führen. Dort hat man nämlich im September 2021 Fakten geschaffen und die gleiche Besoldung für die Grundschullehrkräfte umgesetzt. Das ist doch ein gutes Vorbild für die Hessische Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Aber die schwarz-grüne Landesregierung hier weigert sich nach wie vor, den vielen Frauen an den Grundschulen A 13 zu zahlen. Ihre Begründung ist für uns heute besonders interessant. Das Grundschullehramt studiere man nur sieben Semester statt wie das Gymnasiallehramt zehn Semester. Kürzere Ausbildung bedeutet weniger Besoldung.

Deswegen hofften jetzt viele auf diese Novelle. In vielen Bundesländern wurde die Regelstudienzeit schon auf acht oder zehn Semester angehoben. Herr Kollege Degen hat das gerade aufgelistet.

Auf die Grundschulen, die Gemeinschaftsschulen sind, kamen in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zu. Die haben Sie in der Begründung Ihrer Novelle aufgezählt. Dies sind die Inklusion, die Vielfalt, die Integration, die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Trotzdem soll es bei einer Regelstudienzeit von sieben Semestern bleiben. Das sind gerade einmal dreieinhalb Jahre für das Grundschullehramt und für das Haupt- und Realschullehramt.

Wo bleibt denn die im Koalitionsvertrag versprochene Prüfung einer zeitlichen Ausweitung des Lehramtsstudiums für die Grundschulen? Oder haben Sie die Prüfung schon durchgeführt, ohne uns einzubinden? Falls ja, was waren denn die Ergebnisse dieser Prüfung? Das würde mich interessieren.

Wir als LINKE bleiben dabei: Das Grundschullehramt muss mit einer längeren Regelstudienzeit und der Besoldung A 13 aufgewertet werden.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Stattdessen ist aber eine weitere Verdichtung des Stoffs während des Grundschullehramtsstudiums geplant. Studierende sollen zukünftig eines der drei Fächer als Langfach studieren. Dieses Unterrichtsfach soll dann gleichzeitig die Lehramtsbefähigung für die Sekundarstufe I sein. In diesem Langfach werden dann deutlich mehr Leistungspunkte erbracht werden müssen. Wie soll das denn in sieben Semestern ohne Abstriche bei den Querschnittsthemen, die immer wichtiger werden, oder bei den anderen zwei Kurzfächern gehen? Das ist eine echte Schnapsidee, die zeigt, wie weit Sie von der Realität an den Schulen und an den Hochschulen entfernt sind.

Sollte das Grundschullehramt so umgesetzt werden, wie Sie es vorschlagen, würde es aufgrund seiner enormen Dichte und der schlechteren Besoldung hinterher nicht gerade attraktiver werden – um es vorsichtig zu sagen. Das Gegenteil wäre der Fall. Das würde dann bei einem eklatanten Lehrermangel gerade an den Grundschulen geschehen. Ab dem Jahr 2026 wird es ein Recht auf Ganztagsbetreuung geben. Das ist vollkommener Irrsinn.

Leider haben Sie sich beim Thema Vorbereitungsdienst nicht von der Realität an den Schulen beirren lassen. Sie wollen den Weg der Modularisierung weiter fortsetzen. Der Prüfungsmarathon im Referendariat wird keineswegs sicherstellen, dass am Ende befähigte Lehrkräfte herauskommen. Vielmehr wird Dienst nach Vorschrift gemacht werden. Das Referendariat wird dann häufig schon nach neun Monaten beendet werden.

Die Qualität der Betreuung im Referendariat durch Lehrkräfte an der Ausbildungsschule wird auch weiterhin nicht an erster Stelle stehen. Eine fachfremde Betreuung wird auch nach dieser Novelle möglich sein.

Trotz massiver Kritik am Vorbereitungsdienst findet weder eine Evaluation noch eine Reform des Referendariats statt. Das ist sehr ernüchternd. So viel kann ich Ihnen schon verraten: Das wird zu erheblicher Kritik von den Praktikern führen.

Man könnte jetzt noch viele andere Probleme Ihres Gesetzentwurfs ansprechen. Das betrifft die Umsetzung des Praxissemesters, förderpädagogische Elemente und Prüfungsfragen. Aber da würde ich gerne die Anhörung abwarten.

Insgesamt stellt einen dieser Gesetzentwurf nicht zufrieden. Angesichts der Herausforderungen, mit denen unsere Lehrkräfte tagtäglich an unseren Schulen konfrontiert werden, ist dieser Gesetzentwurf in keiner Weise angemessen.

(Beifall DIE LINKE)