Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula – Aktuelle Stunde zur Bildungspolitik in Hessen

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und JugendpolitkHaushalt und FinanzenSoziales

In seiner 144. Plenarsitzung am 21. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde: „Lehrermangel, Unterrichtsausfall, marode Schulgebäude – Zeit für eine bessere Bildungspolitik in Hessen – Bildungswende jetzt". Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Ich weiß, meine Tochter würde unheimlich gerne mal in ein Musical gehen. Das kann ich ihr nicht erfüllen. Das ist nicht drin. Wir müssen jetzt erst zusehen, wie wir ein iPad kaufen. Da gibt es beim Teilhabepaket nicht einen Cent für. Ihre Klassenkameraden haben schon alle ein iPad. Sie ist die Einzige, die ohne geht. Sie hängt immer hinterher, und somit ist auch Bildung nicht gleich für alle Kinder. Kinder von armen Eltern haben kein Recht, ein Gymnasium zu besuchen. Denn man kann es sich nicht leisten.

Das sagte Andrea Zinhard. Sie ist arbeitsunfähig, bezieht Bürgergeld und war bei „Hart aber Fair“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, Sie hören es nicht gern, aber so sieht die Realität in diesem Land aus.

(Beifall DIE LINKE)

Kinder aus einkommensschwachen Haushalten bekommen seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium. Kinder aus Facharbeiterfamilien müssen deutlich besser lesen als Kinder aus Akademikerfamilien, um eine Gymnasialempfehlung zu bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind aus einem Beamtenhaushalt eine solche Empfehlung bekommt, ist 2,5-mal höher als für ein Arbeiterkind. Das zeigt die letzte IGLU-Studie. Nur Bulgarien steht in der Vergleichsgruppe schlechter da als Deutschland, was den Zusammenhang von Herkunft und Leseleistung angeht – ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

(Zuruf CDU: Nicht in Hessen!)

Das kann doch wirklich nicht wahr sein; und damit kann man sich nicht zufriedengeben, Herr Kultusminister.

Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.

Wo steht das drin? Nein, es steht nicht im linken Wahlprogramm; das steht in Art. 59 Abs. 2 der Hessischen Verfassung. Wo ist denn die selbst ernannte Verfassungspartei und Verteidigerin des Rechtsstaats, wenn es darum geht, unsere Hessische Verfassung auch wirklich umzusetzen, liebe CDU? Herr Kultusminister, in Ihrer Amtszeit ist die Schere in der Bildung immer weiter auseinandergegangen. Noch nie gingen so viele Schülerinnen und Schüler auf eine Privatschule. Gleichzeitig trifft der Unterrichtsausfall an den öffentlichen Schulen diejenigen besonders hart, die mehr Förderung und Unterstützung brauchen.

Einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge liegt das Nettohaushaltseinkommen an Privatschulen durchschnittlich bei 29.000 €, an öffentlichen Schulen hingegen bei 21.000 €. Während an Privatschulen nur 9 % der Haushalte Sozialleistungen beziehen, sind es an öffentlichen Schulen 20 %. Diese erheblichen Diskrepanzen sind ein Verstoß gegen das Sonderungsgebot, das sowohl im Grundgesetz als auch in der Hessischen Verfassung wie auch im Schulgesetz verankert ist, dessen Einhaltung von Ihnen überhaupt nicht überprüft wird. Auch hier scheinen Sie es mit der Verfassungstreue nicht so ernst zu nehmen, lieber Herr Kultusminister.

(Beifall DIE LINKE – J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Oh, oh, oh! – Gegenruf Jan Schalauske (DIE LINKE): Lesen Sie die Hessische Verfassung!)

Nicht nur die Herkunft und das Einkommen der Eltern entscheiden maßgeblich über den Bildungserfolg, sondern auch der Wohnort. Die Investitionen in unsere Schulgebäude variieren stark von Schulträger zu Schulträger. Die Investitionsausgaben sind höher, je mehr einkommensstarke Steuerpflichtige in einem Landkreis leben, und vice versa liegt die Spannweite zwischen 267 € pro Schüler in der Stadt Kassel und 1.444 € im Hochtaunuskreis. Das ist doch wahnwitzig, das müsste doch eigentlich genau umgekehrt sein: An den Orten, an denen viele benachteiligte Schülerinnen und Schüler leben, braucht es doch die bestausgestatteten Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU))

Jetzt haben Sie sogar ins Schulgesetz geschrieben, dass Tablets keine Lernmittel sein sollen. In Zukunft müssen Eltern digitale Lernmittel, die Tablets, selbst kaufen. Das ist doch etwas, was die Bildungsungleichheit weiter verschärft. Schule muss endlich anders gedacht werden und an den Schülerinnen und Schülern orientiert werden. Es reicht einfach nicht, jetzt nur mehr Lehrerinnen und Lehrer zu fordern. Es gehört weit mehr dazu. Die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems ist antiquiert. Sie ist nicht auf individuelle Förderung, sondern auf Selektion ausgerichtet.

Kinder und Jugendliche werden bestmöglich gefördert, wenn sie gemeinsam, inklusiv in kleinen Lehrgruppen von der 1. bis zur 10. Klasse in einer echten Ganztagsschule lernen, die natürlich kostenfrei ist und alle Lernmittel, auch die digitalen Endgeräte, für alle zur Verfügung stellt, die ein kostenloses Mittagessen anbietet und auch ohne Hausaufgaben arbeitet; denn nach der Schule braucht es für die Kinder endlich wieder Zeit für Vereine und Hobbys. Nicht alle Eltern können die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen, und nicht jeder kann es sich leisten, Kinder zur Nachhilfe zu schicken.

Deswegen: Es braucht endlich ein anderes Bildungssystem. Ja, wir stoßen diese Debatte an, um endlich Bewegung in dieses Bildungssystem zu bringen. Dafür braucht es auch Druck von unten. Deswegen haben wir auch gestern die Proteste unterstützt. Den Auftakt haben wir in Hessen gemacht, am 23. September geht es weiter. Ich glaube, Sie werden so lange nicht in Ruhe gelassen werden, wie Eltern und Lehrkräfte immer mehr einsehen, dass dieses Bildungssystem nicht mehr den Ansprüchen unserer modernen Zeit gerecht wird. – Vielen lieben Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuelle Pressemeldungen

Elisabeth Kula – Aktuelle Stunde zur Bildungspolitik in Hessen

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und JugendpolitkHaushalt und FinanzenSoziales

In seiner 144. Plenarsitzung am 21. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde: „Lehrermangel, Unterrichtsausfall, marode Schulgebäude – Zeit für eine bessere Bildungspolitik in Hessen – Bildungswende jetzt". Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Ich weiß, meine Tochter würde unheimlich gerne mal in ein Musical gehen. Das kann ich ihr nicht erfüllen. Das ist nicht drin. Wir müssen jetzt erst zusehen, wie wir ein iPad kaufen. Da gibt es beim Teilhabepaket nicht einen Cent für. Ihre Klassenkameraden haben schon alle ein iPad. Sie ist die Einzige, die ohne geht. Sie hängt immer hinterher, und somit ist auch Bildung nicht gleich für alle Kinder. Kinder von armen Eltern haben kein Recht, ein Gymnasium zu besuchen. Denn man kann es sich nicht leisten.

Das sagte Andrea Zinhard. Sie ist arbeitsunfähig, bezieht Bürgergeld und war bei „Hart aber Fair“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, Sie hören es nicht gern, aber so sieht die Realität in diesem Land aus.

(Beifall DIE LINKE)

Kinder aus einkommensschwachen Haushalten bekommen seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium. Kinder aus Facharbeiterfamilien müssen deutlich besser lesen als Kinder aus Akademikerfamilien, um eine Gymnasialempfehlung zu bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind aus einem Beamtenhaushalt eine solche Empfehlung bekommt, ist 2,5-mal höher als für ein Arbeiterkind. Das zeigt die letzte IGLU-Studie. Nur Bulgarien steht in der Vergleichsgruppe schlechter da als Deutschland, was den Zusammenhang von Herkunft und Leseleistung angeht – ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

(Zuruf CDU: Nicht in Hessen!)

Das kann doch wirklich nicht wahr sein; und damit kann man sich nicht zufriedengeben, Herr Kultusminister.

Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.

Wo steht das drin? Nein, es steht nicht im linken Wahlprogramm; das steht in Art. 59 Abs. 2 der Hessischen Verfassung. Wo ist denn die selbst ernannte Verfassungspartei und Verteidigerin des Rechtsstaats, wenn es darum geht, unsere Hessische Verfassung auch wirklich umzusetzen, liebe CDU? Herr Kultusminister, in Ihrer Amtszeit ist die Schere in der Bildung immer weiter auseinandergegangen. Noch nie gingen so viele Schülerinnen und Schüler auf eine Privatschule. Gleichzeitig trifft der Unterrichtsausfall an den öffentlichen Schulen diejenigen besonders hart, die mehr Förderung und Unterstützung brauchen.

Einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge liegt das Nettohaushaltseinkommen an Privatschulen durchschnittlich bei 29.000 €, an öffentlichen Schulen hingegen bei 21.000 €. Während an Privatschulen nur 9 % der Haushalte Sozialleistungen beziehen, sind es an öffentlichen Schulen 20 %. Diese erheblichen Diskrepanzen sind ein Verstoß gegen das Sonderungsgebot, das sowohl im Grundgesetz als auch in der Hessischen Verfassung wie auch im Schulgesetz verankert ist, dessen Einhaltung von Ihnen überhaupt nicht überprüft wird. Auch hier scheinen Sie es mit der Verfassungstreue nicht so ernst zu nehmen, lieber Herr Kultusminister.

(Beifall DIE LINKE – J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Oh, oh, oh! – Gegenruf Jan Schalauske (DIE LINKE): Lesen Sie die Hessische Verfassung!)

Nicht nur die Herkunft und das Einkommen der Eltern entscheiden maßgeblich über den Bildungserfolg, sondern auch der Wohnort. Die Investitionen in unsere Schulgebäude variieren stark von Schulträger zu Schulträger. Die Investitionsausgaben sind höher, je mehr einkommensstarke Steuerpflichtige in einem Landkreis leben, und vice versa liegt die Spannweite zwischen 267 € pro Schüler in der Stadt Kassel und 1.444 € im Hochtaunuskreis. Das ist doch wahnwitzig, das müsste doch eigentlich genau umgekehrt sein: An den Orten, an denen viele benachteiligte Schülerinnen und Schüler leben, braucht es doch die bestausgestatteten Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU))

Jetzt haben Sie sogar ins Schulgesetz geschrieben, dass Tablets keine Lernmittel sein sollen. In Zukunft müssen Eltern digitale Lernmittel, die Tablets, selbst kaufen. Das ist doch etwas, was die Bildungsungleichheit weiter verschärft. Schule muss endlich anders gedacht werden und an den Schülerinnen und Schülern orientiert werden. Es reicht einfach nicht, jetzt nur mehr Lehrerinnen und Lehrer zu fordern. Es gehört weit mehr dazu. Die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems ist antiquiert. Sie ist nicht auf individuelle Förderung, sondern auf Selektion ausgerichtet.

Kinder und Jugendliche werden bestmöglich gefördert, wenn sie gemeinsam, inklusiv in kleinen Lehrgruppen von der 1. bis zur 10. Klasse in einer echten Ganztagsschule lernen, die natürlich kostenfrei ist und alle Lernmittel, auch die digitalen Endgeräte, für alle zur Verfügung stellt, die ein kostenloses Mittagessen anbietet und auch ohne Hausaufgaben arbeitet; denn nach der Schule braucht es für die Kinder endlich wieder Zeit für Vereine und Hobbys. Nicht alle Eltern können die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen, und nicht jeder kann es sich leisten, Kinder zur Nachhilfe zu schicken.

Deswegen: Es braucht endlich ein anderes Bildungssystem. Ja, wir stoßen diese Debatte an, um endlich Bewegung in dieses Bildungssystem zu bringen. Dafür braucht es auch Druck von unten. Deswegen haben wir auch gestern die Proteste unterstützt. Den Auftakt haben wir in Hessen gemacht, am 23. September geht es weiter. Ich glaube, Sie werden so lange nicht in Ruhe gelassen werden, wie Eltern und Lehrkräfte immer mehr einsehen, dass dieses Bildungssystem nicht mehr den Ansprüchen unserer modernen Zeit gerecht wird. – Vielen lieben Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula – Aktuelle Stunde zur Bildungspolitik in Hessen

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und JugendpolitkHaushalt und FinanzenSoziales

In seiner 144. Plenarsitzung am 21. September 2023 diskutierte der Hessische Landtag zur Aktuellen Stunde: „Lehrermangel, Unterrichtsausfall, marode Schulgebäude – Zeit für eine bessere Bildungspolitik in Hessen – Bildungswende jetzt". Dazu die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Ich weiß, meine Tochter würde unheimlich gerne mal in ein Musical gehen. Das kann ich ihr nicht erfüllen. Das ist nicht drin. Wir müssen jetzt erst zusehen, wie wir ein iPad kaufen. Da gibt es beim Teilhabepaket nicht einen Cent für. Ihre Klassenkameraden haben schon alle ein iPad. Sie ist die Einzige, die ohne geht. Sie hängt immer hinterher, und somit ist auch Bildung nicht gleich für alle Kinder. Kinder von armen Eltern haben kein Recht, ein Gymnasium zu besuchen. Denn man kann es sich nicht leisten.

Das sagte Andrea Zinhard. Sie ist arbeitsunfähig, bezieht Bürgergeld und war bei „Hart aber Fair“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, Sie hören es nicht gern, aber so sieht die Realität in diesem Land aus.

(Beifall DIE LINKE)

Kinder aus einkommensschwachen Haushalten bekommen seltener eine Empfehlung fürs Gymnasium. Kinder aus Facharbeiterfamilien müssen deutlich besser lesen als Kinder aus Akademikerfamilien, um eine Gymnasialempfehlung zu bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind aus einem Beamtenhaushalt eine solche Empfehlung bekommt, ist 2,5-mal höher als für ein Arbeiterkind. Das zeigt die letzte IGLU-Studie. Nur Bulgarien steht in der Vergleichsgruppe schlechter da als Deutschland, was den Zusammenhang von Herkunft und Leseleistung angeht – ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

(Zuruf CDU: Nicht in Hessen!)

Das kann doch wirklich nicht wahr sein; und damit kann man sich nicht zufriedengeben, Herr Kultusminister.

Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.

Wo steht das drin? Nein, es steht nicht im linken Wahlprogramm; das steht in Art. 59 Abs. 2 der Hessischen Verfassung. Wo ist denn die selbst ernannte Verfassungspartei und Verteidigerin des Rechtsstaats, wenn es darum geht, unsere Hessische Verfassung auch wirklich umzusetzen, liebe CDU? Herr Kultusminister, in Ihrer Amtszeit ist die Schere in der Bildung immer weiter auseinandergegangen. Noch nie gingen so viele Schülerinnen und Schüler auf eine Privatschule. Gleichzeitig trifft der Unterrichtsausfall an den öffentlichen Schulen diejenigen besonders hart, die mehr Förderung und Unterstützung brauchen.

Einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge liegt das Nettohaushaltseinkommen an Privatschulen durchschnittlich bei 29.000 €, an öffentlichen Schulen hingegen bei 21.000 €. Während an Privatschulen nur 9 % der Haushalte Sozialleistungen beziehen, sind es an öffentlichen Schulen 20 %. Diese erheblichen Diskrepanzen sind ein Verstoß gegen das Sonderungsgebot, das sowohl im Grundgesetz als auch in der Hessischen Verfassung wie auch im Schulgesetz verankert ist, dessen Einhaltung von Ihnen überhaupt nicht überprüft wird. Auch hier scheinen Sie es mit der Verfassungstreue nicht so ernst zu nehmen, lieber Herr Kultusminister.

(Beifall DIE LINKE – J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU): Oh, oh, oh! – Gegenruf Jan Schalauske (DIE LINKE): Lesen Sie die Hessische Verfassung!)

Nicht nur die Herkunft und das Einkommen der Eltern entscheiden maßgeblich über den Bildungserfolg, sondern auch der Wohnort. Die Investitionen in unsere Schulgebäude variieren stark von Schulträger zu Schulträger. Die Investitionsausgaben sind höher, je mehr einkommensstarke Steuerpflichtige in einem Landkreis leben, und vice versa liegt die Spannweite zwischen 267 € pro Schüler in der Stadt Kassel und 1.444 € im Hochtaunuskreis. Das ist doch wahnwitzig, das müsste doch eigentlich genau umgekehrt sein: An den Orten, an denen viele benachteiligte Schülerinnen und Schüler leben, braucht es doch die bestausgestatteten Schulen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE – Zuruf J. Michael Müller (Lahn-Dill) (CDU))

Jetzt haben Sie sogar ins Schulgesetz geschrieben, dass Tablets keine Lernmittel sein sollen. In Zukunft müssen Eltern digitale Lernmittel, die Tablets, selbst kaufen. Das ist doch etwas, was die Bildungsungleichheit weiter verschärft. Schule muss endlich anders gedacht werden und an den Schülerinnen und Schülern orientiert werden. Es reicht einfach nicht, jetzt nur mehr Lehrerinnen und Lehrer zu fordern. Es gehört weit mehr dazu. Die Mehrgliedrigkeit des Schulsystems ist antiquiert. Sie ist nicht auf individuelle Förderung, sondern auf Selektion ausgerichtet.

Kinder und Jugendliche werden bestmöglich gefördert, wenn sie gemeinsam, inklusiv in kleinen Lehrgruppen von der 1. bis zur 10. Klasse in einer echten Ganztagsschule lernen, die natürlich kostenfrei ist und alle Lernmittel, auch die digitalen Endgeräte, für alle zur Verfügung stellt, die ein kostenloses Mittagessen anbietet und auch ohne Hausaufgaben arbeitet; denn nach der Schule braucht es für die Kinder endlich wieder Zeit für Vereine und Hobbys. Nicht alle Eltern können die Kinder bei den Hausaufgaben unterstützen, und nicht jeder kann es sich leisten, Kinder zur Nachhilfe zu schicken.

Deswegen: Es braucht endlich ein anderes Bildungssystem. Ja, wir stoßen diese Debatte an, um endlich Bewegung in dieses Bildungssystem zu bringen. Dafür braucht es auch Druck von unten. Deswegen haben wir auch gestern die Proteste unterstützt. Den Auftakt haben wir in Hessen gemacht, am 23. September geht es weiter. Ich glaube, Sie werden so lange nicht in Ruhe gelassen werden, wie Eltern und Lehrkräfte immer mehr einsehen, dass dieses Bildungssystem nicht mehr den Ansprüchen unserer modernen Zeit gerecht wird. – Vielen lieben Dank.

(Beifall DIE LINKE)