Reden im Landtag

Elisabeth Kula zum Wahlrecht ab 16

Elisabeth KulaBildungFamilien-, Kinder- und Jugendpolitk

In seiner 116. Plenarsitzung am 12. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag zur Einführung des aktiven Wahlrechts ab 16 bei Kommunalwahlen. Dazu die Rede von Elisabeth Kula, Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lange haben wir das jetzt vor uns hergeschoben. Nun endlich beraten wir in dritter Lesung über den Gesetzentwurf der SPD für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei Kommunalwahlen. Die Anhörung im Ausschuss hat eindeutig gezeigt, dass von Jugendverbänden über Gewerkschaften bis hin zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine Absenkung des Wahlalters bei Kommunalwahlen unterstützt wird.

(Bernd-Erich Vohl (AfD): Aber nicht die kommunalen Verbände!)

Lediglich die Kommunalen Spitzenverbände waren skeptisch, aber die Gegenargumente waren vor allem materieller Art: Eine Ausweitung des kommunalen Wahlrechts würde zu Verunsicherung und Mehrkosten führen und die Klarheit der Wahlen gefährden. – Aber, meine Damen und Herren, ein Mehr an Demokratie und Mitbestimmung darf doch nicht an den Kosten scheitern. Wenn man wirklich etwas will, dann ist dafür auch Geld da. Ja, das Land muss die Kommunen dabei natürlich unterstützen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Auch das Argument der Gefährdung der Klarheit und Eindeutigkeit der Wahlen halten wir für nicht stichhaltig. Die Wahlberechtigten bei hessischen Kommunalwahlen unterscheiden sich schon jetzt von denjenigen bei Landtagsoder Bundestagswahlen. Schließlich können schon jetzt auch EU-Ausländer bei Kommunalwahlen mitbestimmen. Deswegen ist es eher ein vorgeschobenes Argument. Ich bleibe dabei: Es gibt keine stichhaltigen Gründe, die gegen ein Wahlrecht mit 16 sprechen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Viele alte Gegenargumente, wie, dass Jugendliche noch nicht reif genug seien, sind überholt. Das Jugendalter ist heute viel bedeutender als in anderen historischen Phasen. Es ist nicht mehr nur eine Zwischenzeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, sondern ein lang gestreckter Lebensabschnitt, in dem bereits biografische Abschnitte vorkommen, die bislang im Erwachsenenalter verortet waren, wie Qualifizierung, Entwicklung von souveränem Medien- oder Konsumverhalten oder der Aufbau einer Werteorientierung. Die Werbung spricht Jugendliche überall im Internet, im Fernsehen ganz selbstverständlich als Konsumentinnen und Konsumenten an, aber von der Politik werden Jugendliche noch immer nicht als vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft angesehen. Meine Damen und Herren, das ist doch wirklich von gestern.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Lisa Deißler (Freie Demokraten))

Gleichzeitig wird unsere Gesellschaft immer älter, und somit sinkt auch die Repräsentanz junger Menschen. Auch das ist ein Argument für die Absenkung des Wahlalters.

Ganz ehrlich, wer ein Jahr der Kinderrechte ausruft, sich mit einer Beauftragten für Kinderrechte schmückt, aber es im Gegensatz zu elf von 16 anderen Bundesländern nicht hinbekommt, eine einfache Gesetzesänderung umzusetzen, um auf kommunaler Ebene jungen Menschen ab 16 ein Wahlrecht einzuräumen, der macht sich schlichtweg unglaubwürdig – vor allem bei den GRÜNEN.

(Beifall DIE LINKE, vereinzelt SPD und Lisa Deißler (Freie Demokraten))

Aber anscheinend war Ihnen das Thema einfach nicht wichtig genug, um es gegen die CDU durchzusetzen. Sie lassen die jungen Menschen in Hessen im Stich, die die aktuellen politischen Entscheidungen aber am längsten ausbaden müssen. Deswegen setzen wir uns auch auf Landesebene für die Absenkung des Wahlalters ein. Wir wollen, dass alle Menschen, die hier dauerhaft leben, ein Wahlrecht haben; denn sie alle tragen etwas zur Gesellschaft bei und sollten auch bei der Zusammensetzung der Parlamente mitbestimmen können. Um die Mitbestimmung junger Menschen zu stärken, darf es aber auch beim Wahlrecht nicht stehen bleiben. Es braucht verbindliche Jugendbeteiligungen vor Ort, eine Stärkung der Rechte von Schüler- und Auszubildendenvertretungen.

Nehmen Sie endlich die Kinder- und Jugendrechte ernst, tragen Sie sie nicht nur vor sich her, und haben Sie doch keine Angst vor mehr Demokratie. Die klugen Köpfe der nächsten Generation brauchen wir, um die enormen Krisen und Herausforderungen zu meistern. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)