Reden im Landtag

Elisabeth Kula - Studierende vor Armut und kalten Hörsälen schützen!

Elisabeth KulaBildung

In seiner 117. Plenarsitzung am 13. Oktober 2022 diskutierte der Hessische Landtag unseren zu Energieengpässen im Herbst und Winter und den daraus resultierenden Folgen für Studierende und Hochschulen. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden und bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Die Preise steigen, Menschen wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen, und überlegen sich, ob sie heizen oder essen sollen. Urlaube werden abgesagt; und die kleinen Rücklagen sind häufig schon längst geschmolzen. Die Energiekrise ist eine große Gefahr für den sozialen Zusammenhalt. Die Pakete der Bundesregierung sind nicht ausreichend oder helfen nur denjenigen am meisten, die es gar nicht brauchen.

Geringverdiener, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner werden mit mageren Einmalzahlungen abgespeist. Echte, dauerhafte Entlastung sieht anders aus. Es braucht jetzt endlich eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zur Mehrheit der Bevölkerung. Ansonsten drohen die Spalter und Hetzer, die wir ja gerade gehört haben, noch mehr Aufwind zu bekommen.

Auch das Land muss hier die Verantwortung übernehmen. Nach dem von uns eingeforderten Sozialgipfel hat die Landesregierung ein Hilfspaket in Höhe von 200 Millionen € angekündigt. Das ist erst einmal nicht verkehrt. Ganz klar ist aber noch nicht, welche Einrichtungen genau davon profitieren werden. Schaut man sich die Unterstützungspakete einmal genauer an, sieht man, dass sie löchrig wie ein Schweizer Käse sind.

(Beifall DIE LINKE)

Vor allem der Bildungsbereich ist eine große Leerstelle. Dabei ist Bildung doch eine generische Landesangelegenheit. Schulen gehören zum Glück schon zur kritischen Infrastruktur. Das heißt, sie müssen auch während einer Energiekrise geöffnet bleiben. Jetzt überlegen sich aber schon die Landkreise, wie sie das bei den aktuellen Preisen eigentlich finanzieren sollen. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich aus Maßnahmen. Stadt und Landkreis Offenbach haben jetzt für weiterführende Schulen die Raumtemperatur auf 19 Grad gesenkt. Ich sage das einmal so: Ich halte das wirklich für absolut untragbar. Die Arbeitsstättenregel schreibt plus 20 Grad Celsius für leichte sitzende Tätigkeiten vor. Diese gesetzlichen Vorschriften sind nicht wahllos gewählt, sondern sollen vor allem gesundheitliche Risiken vermeiden. Aber an hessischen Schulen kennt man sich mit Frieren dank fehlender Luftfilter in den letzten Jahren ja aus.

Nicht unter die kritische Infrastruktur fallen aber leider die hessischen Hochschulen. Die Auswirkungen davon haben uns die Präsidentinnen und Präsidenten der Hochschulen letzte Woche ins Stammbuch geschrieben. Der Hochschulbetrieb ist enorm energieintensiv. Die meisten hessischen Hochschulen sind von Gas abhängig. Die Sorge, die Energiekosten im Winter schlichtweg nicht mehr tragen zu können, ist in den Hochschulpräsidien allgegenwärtig.

Die Landesregierung aber – das zeigt auch der Antrag von Schwarz-Grün, den Sie vorgelegt haben – will den Hochschulen nicht helfen: keine zusätzlichen Mittel, keine Unterstützung und keinen Plan.

Vizepräsidentin Karin Müller:

Einen kleinen Augenblick, bitte. – Entschuldigung, aber es ist sehr laut. Ein bisschen mehr Ruhe, und zum Reden bitte rausgehen, dann können wir die Rednerin besser verstehen.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Die Verantwortung wird auf die Hochschulen abgeschoben. Dort sollen Notfallpläne erstellt werden. Dazu können auch partielle Schließungen der Hochschulen und erneute digitale Lehre gehören. Ich sage Ihnen sehr deutlich: Das ist unverantwortlich. Bildungseinrichtungen müssen über den Winter geöffnet bleiben.

(Beifall DIE LINKE)

Schon während der Corona-Einschränkungen wurden Schulen und Hochschulen dichtgemacht. Es kann doch nicht sein, dass die Kriege und Krisen dieser Welt auf dem Rücken unserer Bildungseinrichtungen ausgetragen werden. Wir fordern von der Landesregierung endlich einen Schutzschirm für die Hochschulen, sodass der Präsenzbetrieb in diesem Wintersemester gesichert werden kann.

Aber wir fordern nicht nur schnelle Sofortmaßnahmen, sondern auch eine langfristige Planung. Dazu gehört ein Programm zur klimaneutralen Hochschule 2030 ebenso wie ein energetisches Sanierungsprogramm. Das Ziel muss sein, bis 2029  80 % der Hochschulgebäude energetisch saniert zu haben, damit man nicht mehr einen so hohen Energiebedarf hat.

Darüber hinaus muss aber endlich das Hochschulfinanzierungssystem vom Kopf auf die Füße gestellt werden; denn trotz der Erhöhung der Grundfinanzierung im Hochschulpakt gibt es aufgrund der falschen Wettbewerbsorientierung in der Hochschulfinanzierung in vielen Fachbereichen eine Mangelverwaltung – gerade in Geistes- und Sozialwissenschaften. Wir wollen unsere Hochschulen bedarfsgerecht ausfinanzieren, um gute Forschung und Lehre sowie unbefristete Stellen für dauerhafte Aufgaben flächendeckend garantieren zu können.

(Beifall DIE LINKE)

Eine Rückkehr ins digitale Semester oder eine Schließung der Bibliotheken der Hochschulen wäre im Übrigen auch eine Umverteilung der Krisenkosten von der öffentlichen Hand hin zu den Studierenden und Lehrenden. Diese müssen dann nämlich den ganzen Tag im Homeoffice ihre Bude heizen; und das finden wir sehr ungerecht. Eine solche Form der Umverteilung lehnen wir grundsätzlich ab, weil es sehr unsozial ist, die Studierenden jetzt weiter zu belasten.

(Beifall DIE LINKE)

Die wirtschaftliche Situation der Studierenden hat sich nämlich schon während der Corona-Pandemie drastisch verschlechtert; und die steigenden Preise und die ausbleibende dauerhafte Unterstützung stellen jetzt viele Studierende vor existenzielle Probleme. Viele überlegen, ob sie ihr Studium demnächst vielleicht sogar abbrechen müssen. Während der letzten Corona-Jahre mussten 25 % aller Studierenden zusätzliche Schulden machen. Schon im Jahr 2020 waren laut einer Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands 30 % aller Studierenden arm. Bei alleinstehenden Studierenden lag die Zahl sogar bei 75 %. Gleichzeitig ging die Zahl der BAföG-Geförderten seit 2012 kontinuierlich zurück. Die Quote der Anspruchsberechtigten lag 2021 unter 19 %. Und selbst diejenigen, die den BAföGHöchstsatz erhalten, können davon in den Universitätsstädten kaum noch gut leben. Die jetzigen Preissteigerungen sind nicht durch einmalige Trostpflaster zu heilen. Dauerhafte Kosten brauchen auch dauerhafte Entlastungen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Sie werden jetzt sicher gleich anführen: Ja, es gab eine leichte Erhöhung der BAföG-Sätze im Rahmen der Mini-BAföG-Reform des Bundes. – Aber diese leichte Erhöhung wird sofort durch die Inflation aufgefressen. Gleichzeitig wird das Essen in den Mensen immer teurer. Die Mieten sind auf einem Rekordhoch, und die Semesterbeiträge steigen immer weiter. Die sich zuspitzende soziale Lage der Studierenden geht uns als Land etwas an; und wir müssen endlich alles in unserer Macht Stehende tun, um unseren Studierenden zu helfen. In Hessen haben sich bereits die großen Studierendenvertretungen und der fzs zu einem ersten Krisengipfel getroffen, bei dem sie die Landesregierung aufforderten, endlich aktiv zu werden. Bleibt Hilfe weiterhin aus, wird es erneute Krisengipfel und Proteste der Studierenden geben. Darauf können Sie sich schon einmal einstellen, Frau Ministerin.

(Beifall DIE LINKE)

Ein Hebel der Landesregierung, um den Studierenden zu helfen, ist die auskömmliche Finanzierung der Studierendenwerke. Damit diese ihre sozialen Aufgaben gegenüber den Studierenden angemessen ausüben können, also gutes Essen zu sozialverträglichen Preisen sowie genügend Wohnheimplätze zur Verfügung stellen können, muss das Land endlich mehr Mittel zur Verfügung stellen. Leider ist auch davon in Ihrem Antrag nicht die Rede. Angesichts des erheblichen Ausbau- und Sanierungsbedarfs von Wohnheimplätzen wollen wir jedem Studierendenwerk daher 30 Millionen € zur Verfügung stellen; und wir wollen 2.000 Wohnheimplätze im Jahr schaffen sowie grundsätzlich wieder dahin kommen, dass das Land 30 % der Finanzierung der Studierendenwerke übernimmt. Auch die Landeszuschüsse für die Mensamahlzeiten müssen jetzt sofort schnell steigen, um die Preissteigerungen abzumildern.

Wir fordern von der Landesregierung aber auch, dass sie sich auf Bundesebene für eine echte BAföG-Reform einsetzt, damit die Höhe der Sätze endlich dem realen Bedarf entspricht und sich die Quote der Geförderten deutlich erhöht. Als LINKE haben wir dazu im Land und im Bund Vorschläge vorgelegt.

Eine weitere Möglichkeit des Landes, den Studierenden die Finanzierungslast ihres Studiums etwas abzumildern, wäre, die Verwaltungskostenbeiträge in diesem und im kommenden Semester zu erstatten. Wir fragen uns schon seit Jahren: Wofür sind eigentlich diese Verwaltungskostenbeiträge in Höhe von 50 € pro Semester, und warum sind diese überhaupt notwendig? – Das sind doch versteckte Studiengebühren; und deswegen gehören sie, wie auch alle anderen Studiengebühren, grundsätzlich abgeschafft. Auch das würde die Studierenden entlasten.

Meine Damen und Herren, wir fordern als LINKE die Landesregierung auf, die Hochschulen und Studierenden in dieser Krise endlich zu unterstützen. Bildungseinrichtungen dürfen nicht der Krise zum Opfer fallen. Es ist tatsächlich etwas beängstigend, wie schlecht das Land hier vorbereitet ist. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINE)