Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula zu hochschulrechtlichen Vorschriften

Elisabeth KulaBildung

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Gesetz zur Neuregelung und Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir die Hochschulen als Teil der Gesellschaft statt als abstrakten Elfenbeinturm der Wissensvermittlung begreifen, können wir feststellen, dass Entwicklungen, die wir in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen feststellen konnten, auch an den Hochschulen stattgefunden haben. Manchmal waren die Hochschulen sogar vorne.

Ich möchte an die beiden Redebeiträge vor mir anschließen und sagen, dass ich es total begrüßenswert und toll finde, dass die kritische Geschlechterforschung und die Gender Studies einen riesengroßen Anteil daran hatten, dass wir mehr Gleichstellung in diesem Lande als noch vor ein paar Jahren haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir hatten in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft aber nicht nur positive Veränderungen. Ganz im Gegenteil, wir hatten auch Entwicklungen wie Verwertungslogik, Marktorientierung, Leistungsdruck, Verschulung und Kommerzialisierung. Auch das findet an unseren Hochschulen statt.

Diese Entwicklungen waren – das hat Herr Büger gerade noch einmal eindrucksvoll dargestellt – auch politisch gewollt. Studierende haben sich in der Vergangenheit immer wieder zusammengetan, um ihre Belange und auch die Interessen der Beschäftigten an den Hochschulen zu artikulieren. Da sind z. B. die Bündnisse für Zivilklauseln, die tariflichen Kämpfe um mehr Rechte für studentische Hilfskräfte oder die Proteste gegen Kürzungen an vor allem sozialwissenschaftlich-kritisch orientierten Fachbereichen und – Janine Wissler hat es vorhin schon gesagt – die erfolgreichen Proteste gegen die Studiengebühren zu nennen. Die Wissenschaftsministerin hat mit der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes die Chance, diese Stimmen weiter zu stärken, mehr Demokratie zu wagen und der Fehlentwicklung hin zur marktkonformen Hochschule etwas entgegenzusetzen. Ich sage es einmal so: In dem vorliegenden Entwurf ist das nur teilweise gelungen.

Eine der dringendsten Aufgaben an den Hochschulen ist es aktuell, die ausufernde Befristungspraxis einzudämmen. Fast 90 % der Beschäftigten sind befristet beschäftigt, und das bedeutet vor allem, dass das eigene Leben nicht mehr planbar ist und viele sich gegen eine wissenschaftliche Berufslaufbahn entscheiden. Unter dem Twitter-Hashtag #IchbinHanna teilen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erfahrungen im Hochschulbetrieb. Sie sprechen von Kettenbefristungen, Angst vor Armut und Unsicherheit. Für uns LINKE ist glasklar: Für Daueraufgaben an den Hochschulen braucht es endlich auch Dauerstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Bereits jetzt ist es möglich, wissenschaftlichen Nachwuchs auf unbefristeten Stellen zu beschäftigen, aber diese Möglichkeit wird von den Hochschulleitungen einfach noch kaum genutzt. Deswegen ist es umso wichtiger, den Befristungen auch im Hochschulgesetz einen Riegel vorzuschieben. Es muss endlich klargestellt werden, dass Befristungen nur dann zulässig sind, wenn auch wirklich eine wissenschaftliche Qualifizierung stattfindet. Ich bin bei der Anhörung vor allem darauf gespannt, ob die neue Personalkategorie der Hochschuldozentin bzw. des Hochschuldozenten und das Tenure-Track-Verfahren, eigentlich eine verlängerte Probezeit für Postdocs, wirklich etwas gegen Kettenbefristungen bewirken können.

Ein Schwerpunkt der Novelle liegt auf den Fragen der Gleichstellung und der Antidiskriminierung. Vorweg: Ich finde es wichtig, dass auch an den Hochschulen Frauen noch besser gefördert werden und dass es Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle geben soll. Ich glaube aber, es wäre sehr wichtig, dass eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Antidiskriminierungsbeauftragte nicht ein und dieselbe Person sind. Beides sind sehr wichtige gesellschaftliche

Anliegen, die zwar miteinander zu tun haben können, aber doch unterschiedliche Schwerpunkte und Methoden der Beratung haben. Deswegen muss es da zwei verschiedene Anlaufstellen geben. Diese sollten auch nicht einfach mit einer Person aus dem Professoren- oder Hochschulleitungsapparat besetzt werden. Es braucht unabhängige, eigenständige und hauptamtliche Stellen, um den Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit und der Antidiskriminierung gerecht zu werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Gleiches gilt für die oder den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Daneben wäre aus unserer Perspektive auch noch eine Anlaufstelle für Studierende aus nicht akademischen Haushalten sinnvoll; denn die haben in der Regel ganz eigene Problemstellungen und Bedarfe, die in den Studienberatungen oft ein bisschen untergehen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Hinsicht begrüßen wir die Möglichkeit für ein Teilzeitstudium. Wir begrüßen auch die Einführung von Tandem-Professuren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die eine Professur in Teilzeit ermöglichen, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Leider ist eine solche Möglichkeit in dem Gesetzentwurf nicht für Universitäten vorgesehen. Auch da bin ich auf die Anhörung gespannt. Ich finde, das könnte auch an den Universitäten sinnvoll sein. Klar ist aber auch, dass bei den Tandem-Professuren die Lehrverpflichtungen gesenkt werden müssen, damit auch wirklich Zeit für die Berufspraxis bleibt.

Wirklich problematisch an dem Gesetzentwurf ist aber – das ist mir wichtig –, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, in bestimmten Fällen auf Ausschreibungen zu verzichten. Die Formulierung in dem Entwurf ist nämlich so weit gefasst, dass das ein Einfallstor für undurchsichtige Verfahren und Vetternwirtschaft werden kann. Außerdem wissen wir, dass überall da, wo auf Ausschreibungen verzichtet wird, Frauen benachteiligt sind. Das steht aber in starkem Kontrast zu Ihrem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen. Diese Regelung muss also aus unserer Perspektive dringend gestrichen werden.

Für Studierende gibt der Entwurf leider auch nicht ganz so viel her, wie Sie es in Ihrer Rede vorhin versprochen haben. Weder gibt es eine Regelung zur Aufnahme studentischer Hilfskräfte in die Personalvertretung, noch sind tarifähnliche Bedingungen für sie vorgesehen. Dabei war das eine der zentralen Forderungen von Studierendenvertretungen in Hessen in den letzten Jahren. Aus unserer Perspektive muss das unbedingt im Hochschulgesetz geregelt werden.

Wir hätten uns auch deutlichere Schritte in Richtung Demokratisierung der Hochschulen gewünscht. Studierende sind in den Hochschulgremien immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die größte Statusgruppe an den Hochschulen darstellen. Als LINKE fordern wir eine paritätische Besetzung der Hochschulgremien mit Vertretern aller Statusgruppen; denn erst dann sind auch die Hochschulen endlich eine moderne demokratische Bildungsinstitution.

Man könnte jetzt noch viele Punkte nennen. Dazu haben wir die Anhörung und weitere Lesungen. Aus der heutigen Perspektive würde ich sagen: Diese Novelle ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser fällt aber leider sehr zögerlich aus, sodass bezweifelt werden kann, ob sich, wenn er so bleibt, an den Hochschulen wirklich substanziell etwas zugunsten der Studierenden und der Beschäftigten ändert. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuelle Pressemeldungen

Elisabeth Kula zu hochschulrechtlichen Vorschriften

Elisabeth KulaBildung

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Gesetz zur Neuregelung und Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir die Hochschulen als Teil der Gesellschaft statt als abstrakten Elfenbeinturm der Wissensvermittlung begreifen, können wir feststellen, dass Entwicklungen, die wir in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen feststellen konnten, auch an den Hochschulen stattgefunden haben. Manchmal waren die Hochschulen sogar vorne.

Ich möchte an die beiden Redebeiträge vor mir anschließen und sagen, dass ich es total begrüßenswert und toll finde, dass die kritische Geschlechterforschung und die Gender Studies einen riesengroßen Anteil daran hatten, dass wir mehr Gleichstellung in diesem Lande als noch vor ein paar Jahren haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir hatten in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft aber nicht nur positive Veränderungen. Ganz im Gegenteil, wir hatten auch Entwicklungen wie Verwertungslogik, Marktorientierung, Leistungsdruck, Verschulung und Kommerzialisierung. Auch das findet an unseren Hochschulen statt.

Diese Entwicklungen waren – das hat Herr Büger gerade noch einmal eindrucksvoll dargestellt – auch politisch gewollt. Studierende haben sich in der Vergangenheit immer wieder zusammengetan, um ihre Belange und auch die Interessen der Beschäftigten an den Hochschulen zu artikulieren. Da sind z. B. die Bündnisse für Zivilklauseln, die tariflichen Kämpfe um mehr Rechte für studentische Hilfskräfte oder die Proteste gegen Kürzungen an vor allem sozialwissenschaftlich-kritisch orientierten Fachbereichen und – Janine Wissler hat es vorhin schon gesagt – die erfolgreichen Proteste gegen die Studiengebühren zu nennen. Die Wissenschaftsministerin hat mit der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes die Chance, diese Stimmen weiter zu stärken, mehr Demokratie zu wagen und der Fehlentwicklung hin zur marktkonformen Hochschule etwas entgegenzusetzen. Ich sage es einmal so: In dem vorliegenden Entwurf ist das nur teilweise gelungen.

Eine der dringendsten Aufgaben an den Hochschulen ist es aktuell, die ausufernde Befristungspraxis einzudämmen. Fast 90 % der Beschäftigten sind befristet beschäftigt, und das bedeutet vor allem, dass das eigene Leben nicht mehr planbar ist und viele sich gegen eine wissenschaftliche Berufslaufbahn entscheiden. Unter dem Twitter-Hashtag #IchbinHanna teilen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erfahrungen im Hochschulbetrieb. Sie sprechen von Kettenbefristungen, Angst vor Armut und Unsicherheit. Für uns LINKE ist glasklar: Für Daueraufgaben an den Hochschulen braucht es endlich auch Dauerstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Bereits jetzt ist es möglich, wissenschaftlichen Nachwuchs auf unbefristeten Stellen zu beschäftigen, aber diese Möglichkeit wird von den Hochschulleitungen einfach noch kaum genutzt. Deswegen ist es umso wichtiger, den Befristungen auch im Hochschulgesetz einen Riegel vorzuschieben. Es muss endlich klargestellt werden, dass Befristungen nur dann zulässig sind, wenn auch wirklich eine wissenschaftliche Qualifizierung stattfindet. Ich bin bei der Anhörung vor allem darauf gespannt, ob die neue Personalkategorie der Hochschuldozentin bzw. des Hochschuldozenten und das Tenure-Track-Verfahren, eigentlich eine verlängerte Probezeit für Postdocs, wirklich etwas gegen Kettenbefristungen bewirken können.

Ein Schwerpunkt der Novelle liegt auf den Fragen der Gleichstellung und der Antidiskriminierung. Vorweg: Ich finde es wichtig, dass auch an den Hochschulen Frauen noch besser gefördert werden und dass es Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle geben soll. Ich glaube aber, es wäre sehr wichtig, dass eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Antidiskriminierungsbeauftragte nicht ein und dieselbe Person sind. Beides sind sehr wichtige gesellschaftliche

Anliegen, die zwar miteinander zu tun haben können, aber doch unterschiedliche Schwerpunkte und Methoden der Beratung haben. Deswegen muss es da zwei verschiedene Anlaufstellen geben. Diese sollten auch nicht einfach mit einer Person aus dem Professoren- oder Hochschulleitungsapparat besetzt werden. Es braucht unabhängige, eigenständige und hauptamtliche Stellen, um den Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit und der Antidiskriminierung gerecht zu werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Gleiches gilt für die oder den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Daneben wäre aus unserer Perspektive auch noch eine Anlaufstelle für Studierende aus nicht akademischen Haushalten sinnvoll; denn die haben in der Regel ganz eigene Problemstellungen und Bedarfe, die in den Studienberatungen oft ein bisschen untergehen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Hinsicht begrüßen wir die Möglichkeit für ein Teilzeitstudium. Wir begrüßen auch die Einführung von Tandem-Professuren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die eine Professur in Teilzeit ermöglichen, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Leider ist eine solche Möglichkeit in dem Gesetzentwurf nicht für Universitäten vorgesehen. Auch da bin ich auf die Anhörung gespannt. Ich finde, das könnte auch an den Universitäten sinnvoll sein. Klar ist aber auch, dass bei den Tandem-Professuren die Lehrverpflichtungen gesenkt werden müssen, damit auch wirklich Zeit für die Berufspraxis bleibt.

Wirklich problematisch an dem Gesetzentwurf ist aber – das ist mir wichtig –, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, in bestimmten Fällen auf Ausschreibungen zu verzichten. Die Formulierung in dem Entwurf ist nämlich so weit gefasst, dass das ein Einfallstor für undurchsichtige Verfahren und Vetternwirtschaft werden kann. Außerdem wissen wir, dass überall da, wo auf Ausschreibungen verzichtet wird, Frauen benachteiligt sind. Das steht aber in starkem Kontrast zu Ihrem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen. Diese Regelung muss also aus unserer Perspektive dringend gestrichen werden.

Für Studierende gibt der Entwurf leider auch nicht ganz so viel her, wie Sie es in Ihrer Rede vorhin versprochen haben. Weder gibt es eine Regelung zur Aufnahme studentischer Hilfskräfte in die Personalvertretung, noch sind tarifähnliche Bedingungen für sie vorgesehen. Dabei war das eine der zentralen Forderungen von Studierendenvertretungen in Hessen in den letzten Jahren. Aus unserer Perspektive muss das unbedingt im Hochschulgesetz geregelt werden.

Wir hätten uns auch deutlichere Schritte in Richtung Demokratisierung der Hochschulen gewünscht. Studierende sind in den Hochschulgremien immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die größte Statusgruppe an den Hochschulen darstellen. Als LINKE fordern wir eine paritätische Besetzung der Hochschulgremien mit Vertretern aller Statusgruppen; denn erst dann sind auch die Hochschulen endlich eine moderne demokratische Bildungsinstitution.

Man könnte jetzt noch viele Punkte nennen. Dazu haben wir die Anhörung und weitere Lesungen. Aus der heutigen Perspektive würde ich sagen: Diese Novelle ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser fällt aber leider sehr zögerlich aus, sodass bezweifelt werden kann, ob sich, wenn er so bleibt, an den Hochschulen wirklich substanziell etwas zugunsten der Studierenden und der Beschäftigten ändert. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula zu hochschulrechtlichen Vorschriften

Elisabeth KulaBildung

In seiner 83. Plenarsitzung am 29. September 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Gesetz zur Neuregelung und Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn wir die Hochschulen als Teil der Gesellschaft statt als abstrakten Elfenbeinturm der Wissensvermittlung begreifen, können wir feststellen, dass Entwicklungen, die wir in anderen Lebens- und Arbeitsbereichen feststellen konnten, auch an den Hochschulen stattgefunden haben. Manchmal waren die Hochschulen sogar vorne.

Ich möchte an die beiden Redebeiträge vor mir anschließen und sagen, dass ich es total begrüßenswert und toll finde, dass die kritische Geschlechterforschung und die Gender Studies einen riesengroßen Anteil daran hatten, dass wir mehr Gleichstellung in diesem Lande als noch vor ein paar Jahren haben.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Wir hatten in den letzten Jahrzehnten in unserer Gesellschaft aber nicht nur positive Veränderungen. Ganz im Gegenteil, wir hatten auch Entwicklungen wie Verwertungslogik, Marktorientierung, Leistungsdruck, Verschulung und Kommerzialisierung. Auch das findet an unseren Hochschulen statt.

Diese Entwicklungen waren – das hat Herr Büger gerade noch einmal eindrucksvoll dargestellt – auch politisch gewollt. Studierende haben sich in der Vergangenheit immer wieder zusammengetan, um ihre Belange und auch die Interessen der Beschäftigten an den Hochschulen zu artikulieren. Da sind z. B. die Bündnisse für Zivilklauseln, die tariflichen Kämpfe um mehr Rechte für studentische Hilfskräfte oder die Proteste gegen Kürzungen an vor allem sozialwissenschaftlich-kritisch orientierten Fachbereichen und – Janine Wissler hat es vorhin schon gesagt – die erfolgreichen Proteste gegen die Studiengebühren zu nennen. Die Wissenschaftsministerin hat mit der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes die Chance, diese Stimmen weiter zu stärken, mehr Demokratie zu wagen und der Fehlentwicklung hin zur marktkonformen Hochschule etwas entgegenzusetzen. Ich sage es einmal so: In dem vorliegenden Entwurf ist das nur teilweise gelungen.

Eine der dringendsten Aufgaben an den Hochschulen ist es aktuell, die ausufernde Befristungspraxis einzudämmen. Fast 90 % der Beschäftigten sind befristet beschäftigt, und das bedeutet vor allem, dass das eigene Leben nicht mehr planbar ist und viele sich gegen eine wissenschaftliche Berufslaufbahn entscheiden. Unter dem Twitter-Hashtag #IchbinHanna teilen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Erfahrungen im Hochschulbetrieb. Sie sprechen von Kettenbefristungen, Angst vor Armut und Unsicherheit. Für uns LINKE ist glasklar: Für Daueraufgaben an den Hochschulen braucht es endlich auch Dauerstellen.

(Beifall DIE LINKE)

Bereits jetzt ist es möglich, wissenschaftlichen Nachwuchs auf unbefristeten Stellen zu beschäftigen, aber diese Möglichkeit wird von den Hochschulleitungen einfach noch kaum genutzt. Deswegen ist es umso wichtiger, den Befristungen auch im Hochschulgesetz einen Riegel vorzuschieben. Es muss endlich klargestellt werden, dass Befristungen nur dann zulässig sind, wenn auch wirklich eine wissenschaftliche Qualifizierung stattfindet. Ich bin bei der Anhörung vor allem darauf gespannt, ob die neue Personalkategorie der Hochschuldozentin bzw. des Hochschuldozenten und das Tenure-Track-Verfahren, eigentlich eine verlängerte Probezeit für Postdocs, wirklich etwas gegen Kettenbefristungen bewirken können.

Ein Schwerpunkt der Novelle liegt auf den Fragen der Gleichstellung und der Antidiskriminierung. Vorweg: Ich finde es wichtig, dass auch an den Hochschulen Frauen noch besser gefördert werden und dass es Anlaufstellen für Diskriminierungsfälle geben soll. Ich glaube aber, es wäre sehr wichtig, dass eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Antidiskriminierungsbeauftragte nicht ein und dieselbe Person sind. Beides sind sehr wichtige gesellschaftliche

Anliegen, die zwar miteinander zu tun haben können, aber doch unterschiedliche Schwerpunkte und Methoden der Beratung haben. Deswegen muss es da zwei verschiedene Anlaufstellen geben. Diese sollten auch nicht einfach mit einer Person aus dem Professoren- oder Hochschulleitungsapparat besetzt werden. Es braucht unabhängige, eigenständige und hauptamtliche Stellen, um den Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit und der Antidiskriminierung gerecht zu werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich finde, Gleiches gilt für die oder den Beauftragten für Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten. Daneben wäre aus unserer Perspektive auch noch eine Anlaufstelle für Studierende aus nicht akademischen Haushalten sinnvoll; denn die haben in der Regel ganz eigene Problemstellungen und Bedarfe, die in den Studienberatungen oft ein bisschen untergehen.

(Beifall DIE LINKE)

In dieser Hinsicht begrüßen wir die Möglichkeit für ein Teilzeitstudium. Wir begrüßen auch die Einführung von Tandem-Professuren an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, die eine Professur in Teilzeit ermöglichen, um Praxiserfahrungen zu sammeln. Leider ist eine solche Möglichkeit in dem Gesetzentwurf nicht für Universitäten vorgesehen. Auch da bin ich auf die Anhörung gespannt. Ich finde, das könnte auch an den Universitäten sinnvoll sein. Klar ist aber auch, dass bei den Tandem-Professuren die Lehrverpflichtungen gesenkt werden müssen, damit auch wirklich Zeit für die Berufspraxis bleibt.

Wirklich problematisch an dem Gesetzentwurf ist aber – das ist mir wichtig –, dass die Möglichkeit eingeräumt wird, in bestimmten Fällen auf Ausschreibungen zu verzichten. Die Formulierung in dem Entwurf ist nämlich so weit gefasst, dass das ein Einfallstor für undurchsichtige Verfahren und Vetternwirtschaft werden kann. Außerdem wissen wir, dass überall da, wo auf Ausschreibungen verzichtet wird, Frauen benachteiligt sind. Das steht aber in starkem Kontrast zu Ihrem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen. Diese Regelung muss also aus unserer Perspektive dringend gestrichen werden.

Für Studierende gibt der Entwurf leider auch nicht ganz so viel her, wie Sie es in Ihrer Rede vorhin versprochen haben. Weder gibt es eine Regelung zur Aufnahme studentischer Hilfskräfte in die Personalvertretung, noch sind tarifähnliche Bedingungen für sie vorgesehen. Dabei war das eine der zentralen Forderungen von Studierendenvertretungen in Hessen in den letzten Jahren. Aus unserer Perspektive muss das unbedingt im Hochschulgesetz geregelt werden.

Wir hätten uns auch deutlichere Schritte in Richtung Demokratisierung der Hochschulen gewünscht. Studierende sind in den Hochschulgremien immer noch unterrepräsentiert, obwohl sie die größte Statusgruppe an den Hochschulen darstellen. Als LINKE fordern wir eine paritätische Besetzung der Hochschulgremien mit Vertretern aller Statusgruppen; denn erst dann sind auch die Hochschulen endlich eine moderne demokratische Bildungsinstitution.

Man könnte jetzt noch viele Punkte nennen. Dazu haben wir die Anhörung und weitere Lesungen. Aus der heutigen Perspektive würde ich sagen: Diese Novelle ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dieser fällt aber leider sehr zögerlich aus, sodass bezweifelt werden kann, ob sich, wenn er so bleibt, an den Hochschulen wirklich substanziell etwas zugunsten der Studierenden und der Beschäftigten ändert. – Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)