Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula: Guter Deutsch-Unterricht braucht gute Bedingungen – Kultusminister wirft Nebelkerzen

Elisabeth KulaBildung

In seiner 81. Plenarsitzung am 08. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Verbot der sogenannten ‚Schreiben nach Gehör‘-Methode in Grundschulen. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich starte auch mit einem Zitat, aber mit einem etwas älteren. Ich zitiere den Kultusminister:

Wogegen aber etwas zu sagen und was nicht hilfreich wäre, wäre es, die Rechtschreibung der Kinder nicht mehr zu korrigieren. Denn: „Schreiben nach Gehör“ ist Unsinn! Aber genau das passiert auch nicht. Es gibt keine Rechtsschreib-Anarchie in hessischen Grundschulen.

Dieses Zitat stammt aus einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2017. Da fragt man sich schon, warum sich die CDU jetzt, vier Jahre später, mit der Aktuellen Stunde vor den Sommerferien dafür feiert, etwas abgeschafft zu haben, was es nach der Aussage des Kultusministers überhaupt nicht gibt und was scheinbar gar kein Problem darstellt. Das alles ist schon ein bisschen komisch.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten) – Tobias Eckert (SPD): Es gibt kein Problem, aber die Union löst es!)

Aber der Kultusminister und die CDU-Fraktion werfen gerne Nebelkerzen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Der Minister sagt, es gehe darum, die bildungssprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern – schön und gut –; aber durch Verbote von pädagogischen Methoden, die sowieso kaum zur Anwendung kommen? Denken Sie denn wirklich, dass „Schreiben nach Gehör“, was eigentlich „Lesen durch Schreiben“ heißt, schuld daran sein soll, dass Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben können?

Damit suggerieren doch die CDU und auch der Kultusminister, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen unverantwortlich mit pädagogischen Methoden umgehen würden. Deswegen muss man sie jetzt an die kurze Leine nehmen. Ich finde das einfach nicht in Ordnung; denn nicht die sowieso schon überlasteten Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen tragen die Hauptverantwortung für fehlende Qualität im Unterricht, sondern der Kultusminister und die Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Sie waren es doch, die 2015 die Zuweisungen zu den Intensivklassen gekürzt haben, in denen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Deutsch die nötige Unterstützung bekommen haben. Sie waren es doch auch, die die Mär der demografischen Rendite und der sinkenden Schülerzahlen gerne geglaubt haben und sich jahrelang geweigert haben, auch nur einzugestehen, dass wir einen eklatanten Lehrermangel in Hessen haben, vor allem an Grundschulen.

Sie sind es auch, die die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen – es sind hauptsächlich Frauen – immer noch schlechter bezahlen als die Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen. Jetzt schieben Sie denjenigen, die Ihre politische Untätigkeit ausbaden müssen, die Schuld für die schlechte Qualität in der sprachlichen Bildung an den Schulen zu. Das ist wirklich ein starkes Stück.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber, ob die Methode „Lesen durch Schreiben“ pädagogisch sinnvoll ist, kann man sicherlich fachlich sehr ausgiebig diskutieren. Ich bin dem Kollegen Degen dankbar für das Beispiel. Was aber nicht geht, ist, so zu tun, als würde durch Ihr Maßnahmenpaket mit Verboten und mehr Notendruck für die Schülerinnen und Schüler irgendetwas an der Qualität des Unterrichts verbessert.

Im Gegenteil: Wie kommt man denn bitte gerade jetzt auf die Idee, die Häufigkeit von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern in den Klassen 9 und 10 von 2022 an in die Note der Klassenarbeiten einfließen zu lassen? Gerade jetzt, wo uns alle Bildungsforscher sagen, dass wir weniger Notendruck und mehr Lernzeit brauchen? Da fragt man sich wirklich, in welcher Welt der Kultusminister lebt. Vielleicht können in der Traumwelt von Herrn Lorz die Grundschulen auch die 100 geschaffenen Stellen für die zusätzliche Deutschstunde dann ohne Probleme besetzen.

Wir brauchen bessere Unterrichtsbedingungen an den Grundschulen, individuelle Sprachförderung, eine Aufwertung des Grundschullehramtes – Stichwort: A 13 für alle –, und wir müssen endlich den Lehrermangel ernsthaft angehen. Dann kann auch durch kleinere Klassen die Qualität des Unterrichts verbessert werden.

Was wir aber nicht brauchen, ist ein Kultusminister, der permanent die Verantwortung abschiebt, aber nichts an den Lern- und Arbeitsbedingungen verbessert. Das sorgt nämlich für Frust und Ärger. Dass die GRÜNEN die Politik so geräuschlos akzeptieren, ist zwar immer noch enttäuschend, aber in Hessen leider nicht mehr überraschend. Frau Anders, ich sage es einmal so: Dass Anträge der Koalition so unterschiedlich interpretiert werden können, ist wirklich erstaunlich. Es ist erstaunlich, was Schwarz-Grün immer wieder hinbekommt. Ich finde das aber für die Bildungspolitik in Hessen sehr bedauerlich.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zurufe)

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Elisabeth Kula: Guter Deutsch-Unterricht braucht gute Bedingungen – Kultusminister wirft Nebelkerzen

Elisabeth KulaBildung

In seiner 81. Plenarsitzung am 08. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Verbot der sogenannten ‚Schreiben nach Gehör‘-Methode in Grundschulen. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich starte auch mit einem Zitat, aber mit einem etwas älteren. Ich zitiere den Kultusminister:

Wogegen aber etwas zu sagen und was nicht hilfreich wäre, wäre es, die Rechtschreibung der Kinder nicht mehr zu korrigieren. Denn: „Schreiben nach Gehör“ ist Unsinn! Aber genau das passiert auch nicht. Es gibt keine Rechtsschreib-Anarchie in hessischen Grundschulen.

Dieses Zitat stammt aus einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2017. Da fragt man sich schon, warum sich die CDU jetzt, vier Jahre später, mit der Aktuellen Stunde vor den Sommerferien dafür feiert, etwas abgeschafft zu haben, was es nach der Aussage des Kultusministers überhaupt nicht gibt und was scheinbar gar kein Problem darstellt. Das alles ist schon ein bisschen komisch.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten) – Tobias Eckert (SPD): Es gibt kein Problem, aber die Union löst es!)

Aber der Kultusminister und die CDU-Fraktion werfen gerne Nebelkerzen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Der Minister sagt, es gehe darum, die bildungssprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern – schön und gut –; aber durch Verbote von pädagogischen Methoden, die sowieso kaum zur Anwendung kommen? Denken Sie denn wirklich, dass „Schreiben nach Gehör“, was eigentlich „Lesen durch Schreiben“ heißt, schuld daran sein soll, dass Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben können?

Damit suggerieren doch die CDU und auch der Kultusminister, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen unverantwortlich mit pädagogischen Methoden umgehen würden. Deswegen muss man sie jetzt an die kurze Leine nehmen. Ich finde das einfach nicht in Ordnung; denn nicht die sowieso schon überlasteten Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen tragen die Hauptverantwortung für fehlende Qualität im Unterricht, sondern der Kultusminister und die Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Sie waren es doch, die 2015 die Zuweisungen zu den Intensivklassen gekürzt haben, in denen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Deutsch die nötige Unterstützung bekommen haben. Sie waren es doch auch, die die Mär der demografischen Rendite und der sinkenden Schülerzahlen gerne geglaubt haben und sich jahrelang geweigert haben, auch nur einzugestehen, dass wir einen eklatanten Lehrermangel in Hessen haben, vor allem an Grundschulen.

Sie sind es auch, die die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen – es sind hauptsächlich Frauen – immer noch schlechter bezahlen als die Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen. Jetzt schieben Sie denjenigen, die Ihre politische Untätigkeit ausbaden müssen, die Schuld für die schlechte Qualität in der sprachlichen Bildung an den Schulen zu. Das ist wirklich ein starkes Stück.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber, ob die Methode „Lesen durch Schreiben“ pädagogisch sinnvoll ist, kann man sicherlich fachlich sehr ausgiebig diskutieren. Ich bin dem Kollegen Degen dankbar für das Beispiel. Was aber nicht geht, ist, so zu tun, als würde durch Ihr Maßnahmenpaket mit Verboten und mehr Notendruck für die Schülerinnen und Schüler irgendetwas an der Qualität des Unterrichts verbessert.

Im Gegenteil: Wie kommt man denn bitte gerade jetzt auf die Idee, die Häufigkeit von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern in den Klassen 9 und 10 von 2022 an in die Note der Klassenarbeiten einfließen zu lassen? Gerade jetzt, wo uns alle Bildungsforscher sagen, dass wir weniger Notendruck und mehr Lernzeit brauchen? Da fragt man sich wirklich, in welcher Welt der Kultusminister lebt. Vielleicht können in der Traumwelt von Herrn Lorz die Grundschulen auch die 100 geschaffenen Stellen für die zusätzliche Deutschstunde dann ohne Probleme besetzen.

Wir brauchen bessere Unterrichtsbedingungen an den Grundschulen, individuelle Sprachförderung, eine Aufwertung des Grundschullehramtes – Stichwort: A 13 für alle –, und wir müssen endlich den Lehrermangel ernsthaft angehen. Dann kann auch durch kleinere Klassen die Qualität des Unterrichts verbessert werden.

Was wir aber nicht brauchen, ist ein Kultusminister, der permanent die Verantwortung abschiebt, aber nichts an den Lern- und Arbeitsbedingungen verbessert. Das sorgt nämlich für Frust und Ärger. Dass die GRÜNEN die Politik so geräuschlos akzeptieren, ist zwar immer noch enttäuschend, aber in Hessen leider nicht mehr überraschend. Frau Anders, ich sage es einmal so: Dass Anträge der Koalition so unterschiedlich interpretiert werden können, ist wirklich erstaunlich. Es ist erstaunlich, was Schwarz-Grün immer wieder hinbekommt. Ich finde das aber für die Bildungspolitik in Hessen sehr bedauerlich.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zurufe)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula: Guter Deutsch-Unterricht braucht gute Bedingungen – Kultusminister wirft Nebelkerzen

Elisabeth KulaBildung

In seiner 81. Plenarsitzung am 08. Juli 2021 diskutierte der Hessische Landtag über das Verbot der sogenannten ‚Schreiben nach Gehör‘-Methode in Grundschulen. Dazu die Rede unserer bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich starte auch mit einem Zitat, aber mit einem etwas älteren. Ich zitiere den Kultusminister:

Wogegen aber etwas zu sagen und was nicht hilfreich wäre, wäre es, die Rechtschreibung der Kinder nicht mehr zu korrigieren. Denn: „Schreiben nach Gehör“ ist Unsinn! Aber genau das passiert auch nicht. Es gibt keine Rechtsschreib-Anarchie in hessischen Grundschulen.

Dieses Zitat stammt aus einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2017. Da fragt man sich schon, warum sich die CDU jetzt, vier Jahre später, mit der Aktuellen Stunde vor den Sommerferien dafür feiert, etwas abgeschafft zu haben, was es nach der Aussage des Kultusministers überhaupt nicht gibt und was scheinbar gar kein Problem darstellt. Das alles ist schon ein bisschen komisch.

(Beifall DIE LINKE, SPD und Moritz Promny (Freie Demokraten) – Tobias Eckert (SPD): Es gibt kein Problem, aber die Union löst es!)

Aber der Kultusminister und die CDU-Fraktion werfen gerne Nebelkerzen, um von eigenen Versäumnissen abzulenken. Der Minister sagt, es gehe darum, die bildungssprachliche Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu fördern – schön und gut –; aber durch Verbote von pädagogischen Methoden, die sowieso kaum zur Anwendung kommen? Denken Sie denn wirklich, dass „Schreiben nach Gehör“, was eigentlich „Lesen durch Schreiben“ heißt, schuld daran sein soll, dass Kinder nicht mehr richtig lesen und schreiben können?

Damit suggerieren doch die CDU und auch der Kultusminister, dass die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen unverantwortlich mit pädagogischen Methoden umgehen würden. Deswegen muss man sie jetzt an die kurze Leine nehmen. Ich finde das einfach nicht in Ordnung; denn nicht die sowieso schon überlasteten Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen tragen die Hauptverantwortung für fehlende Qualität im Unterricht, sondern der Kultusminister und die Landesregierung.

(Beifall DIE LINKE)

Sie waren es doch, die 2015 die Zuweisungen zu den Intensivklassen gekürzt haben, in denen Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf in Deutsch die nötige Unterstützung bekommen haben. Sie waren es doch auch, die die Mär der demografischen Rendite und der sinkenden Schülerzahlen gerne geglaubt haben und sich jahrelang geweigert haben, auch nur einzugestehen, dass wir einen eklatanten Lehrermangel in Hessen haben, vor allem an Grundschulen.

Sie sind es auch, die die Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen – es sind hauptsächlich Frauen – immer noch schlechter bezahlen als die Kolleginnen und Kollegen in anderen Schulformen. Jetzt schieben Sie denjenigen, die Ihre politische Untätigkeit ausbaden müssen, die Schuld für die schlechte Qualität in der sprachlichen Bildung an den Schulen zu. Das ist wirklich ein starkes Stück.

(Beifall DIE LINKE)

Darüber, ob die Methode „Lesen durch Schreiben“ pädagogisch sinnvoll ist, kann man sicherlich fachlich sehr ausgiebig diskutieren. Ich bin dem Kollegen Degen dankbar für das Beispiel. Was aber nicht geht, ist, so zu tun, als würde durch Ihr Maßnahmenpaket mit Verboten und mehr Notendruck für die Schülerinnen und Schüler irgendetwas an der Qualität des Unterrichts verbessert.

Im Gegenteil: Wie kommt man denn bitte gerade jetzt auf die Idee, die Häufigkeit von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern in den Klassen 9 und 10 von 2022 an in die Note der Klassenarbeiten einfließen zu lassen? Gerade jetzt, wo uns alle Bildungsforscher sagen, dass wir weniger Notendruck und mehr Lernzeit brauchen? Da fragt man sich wirklich, in welcher Welt der Kultusminister lebt. Vielleicht können in der Traumwelt von Herrn Lorz die Grundschulen auch die 100 geschaffenen Stellen für die zusätzliche Deutschstunde dann ohne Probleme besetzen.

Wir brauchen bessere Unterrichtsbedingungen an den Grundschulen, individuelle Sprachförderung, eine Aufwertung des Grundschullehramtes – Stichwort: A 13 für alle –, und wir müssen endlich den Lehrermangel ernsthaft angehen. Dann kann auch durch kleinere Klassen die Qualität des Unterrichts verbessert werden.

Was wir aber nicht brauchen, ist ein Kultusminister, der permanent die Verantwortung abschiebt, aber nichts an den Lern- und Arbeitsbedingungen verbessert. Das sorgt nämlich für Frust und Ärger. Dass die GRÜNEN die Politik so geräuschlos akzeptieren, ist zwar immer noch enttäuschend, aber in Hessen leider nicht mehr überraschend. Frau Anders, ich sage es einmal so: Dass Anträge der Koalition so unterschiedlich interpretiert werden können, ist wirklich erstaunlich. Es ist erstaunlich, was Schwarz-Grün immer wieder hinbekommt. Ich finde das aber für die Bildungspolitik in Hessen sehr bedauerlich.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zurufe)