Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula zum Hessischen Schulgesetz

Elisabeth KulaBildung

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Schulgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden un bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen glauben nicht an echte Chancengerechtigkeit im deutschen Schul- und Bildungssystem. 59 % halten die Aussage für eher nicht zutreffend, dass alle Kinder im Großen und Ganzen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf gute Bildung haben.

Das geht aus einer Umfrage der Initiative „Tag der Bildung“ hervor. Diese hohe Skepsis stellt bisher den höchsten und damit schlechtesten Wert seit der ersten Befragung im Jahr 2015 dar. Grund dafür sind sicherlich die sozialen Verwerfungen, die auch durch die desaströse Corona-Politik hinsichtlich der Bildung befeuert wurden.

Jetzt geht es darum, aus der Corona-Krise, den Leistungsrückständen sowie den psychischen und sozialen Problemen die Konsequenzen zu ziehen. Aufholprogramme, mit denen unter anderem die privaten Nachhilfebranchen gepampert werden, werden überhaupt nicht ausreichen. Denn damit werden die Probleme an den Schulen mitnichten dauerhaft angegangen.

Eigentlich braucht es eine neue Art der Schule. Längeres gemeinsames ganztägiges Lernen, moderne freundliche, digitale und zukunftsfähige Schulgebäude überall in Hessen, bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, mehr Schulsozialarbeit und mehr Psychologen an den Schulen, ein pädagogisches Umdenken, weg von der starren Einteilung in Unterrichtsfächer und weg von der Notenfixierung, so muss doch der Anspruch für die Schule von morgen aussehen. Dafür müssen doch jetzt endlich die Grundlagen gelegt werden.

(Beifall Torsten Felstehausen (DIE LINKE))

Leider sieht das die Landesregierung nicht unbedingt so. So bleibt die Novelle des Schulgesetzes deutlich hinter den Anforderungen zurück, die erfüllt werden müssten, um die Bildungskrise abzuwenden. Der bildungspolitische Aufbruch, den es angesichts der Pandemie dringend bräuchte, bleibt unter Schwarz-Grün aus.

Ich will mich heute auf ein paar zentrale Punkte dieses Schulgesetzentwurfs konzentrieren, die aufgrund unserer Perspektive besonders schwerwiegend sind. Ich komme zum Stichwort Lehrmittelfreiheit. In der Hessischen Verfassung ist die Lehrmittelfreiheit festgeschrieben. Leider wird diese soziale Errungenschaft aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weiter geschliffen werden. Herr Kollege Degen hat es gerade angesprochen. Schon jetzt ist es so, dass die steigenden Kosten für das Kopiergeld, für Taschenrechner oder für Musikinstrumente den Etat der elterlichen Haushalte erheblich belasten.

Jetzt will die schwarz-grüne Landesregierung festschreiben, dass mobile digitale Endgeräte, also Tablets, als Gegenstände geringeren Wertes gezählt werden sollen, für die die Eltern aufkommen müssen. Sie sollen also keine Lernmittel sein. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes als „Bring your own device“. Das heißt, die im Unterricht benutzten Tablets müssen selbst angeschafft und bezahlt werden.

Das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Während die Schülerinnen und Schüler aus gut betuchten Elternhäusern auf leistungsstarken und aktuellen Geräten arbeiten können, können die Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten oder mit vielen Geschwistern zusehen, wie sie mit älteren, langsamen und günstigen Tablets zurechtkommen.

Das darf und kann so nicht sein. Die Bildung darf nicht von dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein. So bekämpft man soziale Ungleichheit nicht. So manifestiert man sie.

(Beifall DIE LINKE)

Das kleine Zugeständnis, dass den Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Haushalten vom Land ein Gerät zur Verfügung gestellt werden soll, ist leider eine Scheinlösung. Das führt nämlich dazu, dass es eine Form der Beantragung für die Geräte geben muss. Zweitens führt das zur Stigmatisierung. Abgesehen davon ist bei „Bring your own device“ das Chaos bei der Wartung und beim Support angesichts der Vielzahl der Geräte schon absehbar.

Nein, wir Mitglieder der LINKEN bleiben dabei: Tablets sind Lernmittel. Denn ohne sie ist ein digitales Lernen nicht möglich. Das Land will sich vor der Kostenübernahme drücken und wird die Schülerschaft spalten. Das werden wir nicht so einfach unkommentiert hinnehmen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eine Spaltung der Schülerschaft gibt es leider schon an anderer Stelle. Es gibt sie schon länger. Dabei geht es darum, wer die Kosten für die Schülerbeförderung übernimmt. Grundschülerinnen und Grundschüler, die näher als 2 km an der Schule wohnen, oder Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen, die näher als 3 km an der Schule wohnen, schauen in die Röhre. Deren Eltern müssen auch zukünftig das Ticket zahlen.

Die Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung gibt es nur für Schülerinnen und Schüler in der Nachbarschaft, die zwar direkt nebenan, aber hinter der Grenze von 2 km bzw. 3 km wohnen. Das ist zutiefst ungerecht und wird auch von den Schülern und den Eltern so wahrgenommen. Diese unsinnige Kilometergrenze muss endlich fallen. Allen Schülerinnen und Schülern in Hessen muss ein Schülerticket zur Verfügung gestellt werden. Dafür haben wir uns als LINKE seit Einführung des Tickets eingesetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der Ausbau des Ganztagsangebots, vor allem an den Grundschulen. Aber auch da will die Landesregierung die Verantwortung vor allem nach unten abschieben. Die Planung der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2026 soll vor allem den Schulträgern, also den Kommunen, überlassen werden. Über die Schulentwicklungspläne sollen jetzt der Ausbau des Ganztagsangebots und die Umsetzung des Rechtsanspruchs erreicht werden.

Nein, die Schulentwicklungspläne der Kommunen können keine Planung auf Landesebene ersetzen. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung ab dem Jahr 2026 überall in Hessen, ob in Korbach, Bensheim oder Reiskirchen, wirklich umgesetzt werden kann. Sie können diese Verantwortung nicht auf die Schulträger abwälzen.

Der Weg der Landesregierung bei den Ganztagsangeboten ist mit dem Pakt für den Nachmittag sowieso eher die Schmalspurlösung. Er kommt nämlich gänzlich ohne Qualitätsstandards daher und kann ohne Fachkräfte umgesetzt werden. So wird auch weiterhin im Gesetz stehen, der Pakt solle – ich zitiere – „mit freien Trägern, den Eltern oder qualifizierten Personen“ umgesetzt werden. Diese Form der Dequalifizierung der Betreuung lehnen wir entschieden ab.

Ich will an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass Maßnahmen, die vom Parlament seit Jahren eingefordert werden, endlich auch umgesetzt werden. Das betrifft beispielsweise die Stärkung der Gewaltprävention und die Aufklärung an den Schulen. Das ist überfällig. Da muss die Suizidprävention unbedingt aufgenommen werden.

Auch die Stärkung der Schulaufsicht bei den Schulen in freier Trägerschaft, also bei den Privatschulen, ist zu begrüßen. Allerdings brauchen wir die vor allem hinsichtlich der Einhaltung des Sonderungsverbots. Das ist ebenfalls in der Hessischen Verfassung festgeschrieben. Die Antworten auf eine Große Anfrage von mir zu Privatschulen lassen erhebliche Zweifel zu, ob die Höhe des Schulgeldes bei einigen Privatschulen noch mit dem Sonderungsverbot im Einklang steht. Da braucht es eine Stärkung der Schulaufsicht.

(Beifall DIE LINKE)

Der Zulauf zu den Schulen in privater Trägerschaft wächst immer weiter. Das muss uns doch als Mitglieder des Landtags große Sorgen bereiten. Ich finde, die besten Schulen, in denen man gerne arbeitet und lernt, sollten überall in Hessen die öffentlichen Schulen sein. Leider hat die schwarz-grüne Landesregierung diesen Anspruch ad acta gelegt. Das ist für die überlasteten Lehrkräfte bitter. Es ist vor allen Dingen ein Bärendienst für die Schülerinnen und Schüler Hessens in der Zukunft.

Ich bin auf die Anhörung gespannt. Da stoßen bekanntermaßen die Realität und das Paralleluniversum der Landesregierung aufeinander. Ich bin gespannt, was in den Gesetzentwurf dann noch aufgenommen werden wird. Ich befürchte, es wird nicht viel sein. Aber man wird die Hoffnung nie aufgeben.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuelle Pressemeldungen

Elisabeth Kula zum Hessischen Schulgesetz

Elisabeth KulaBildung

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Schulgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden un bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen glauben nicht an echte Chancengerechtigkeit im deutschen Schul- und Bildungssystem. 59 % halten die Aussage für eher nicht zutreffend, dass alle Kinder im Großen und Ganzen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf gute Bildung haben.

Das geht aus einer Umfrage der Initiative „Tag der Bildung“ hervor. Diese hohe Skepsis stellt bisher den höchsten und damit schlechtesten Wert seit der ersten Befragung im Jahr 2015 dar. Grund dafür sind sicherlich die sozialen Verwerfungen, die auch durch die desaströse Corona-Politik hinsichtlich der Bildung befeuert wurden.

Jetzt geht es darum, aus der Corona-Krise, den Leistungsrückständen sowie den psychischen und sozialen Problemen die Konsequenzen zu ziehen. Aufholprogramme, mit denen unter anderem die privaten Nachhilfebranchen gepampert werden, werden überhaupt nicht ausreichen. Denn damit werden die Probleme an den Schulen mitnichten dauerhaft angegangen.

Eigentlich braucht es eine neue Art der Schule. Längeres gemeinsames ganztägiges Lernen, moderne freundliche, digitale und zukunftsfähige Schulgebäude überall in Hessen, bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, mehr Schulsozialarbeit und mehr Psychologen an den Schulen, ein pädagogisches Umdenken, weg von der starren Einteilung in Unterrichtsfächer und weg von der Notenfixierung, so muss doch der Anspruch für die Schule von morgen aussehen. Dafür müssen doch jetzt endlich die Grundlagen gelegt werden.

(Beifall Torsten Felstehausen (DIE LINKE))

Leider sieht das die Landesregierung nicht unbedingt so. So bleibt die Novelle des Schulgesetzes deutlich hinter den Anforderungen zurück, die erfüllt werden müssten, um die Bildungskrise abzuwenden. Der bildungspolitische Aufbruch, den es angesichts der Pandemie dringend bräuchte, bleibt unter Schwarz-Grün aus.

Ich will mich heute auf ein paar zentrale Punkte dieses Schulgesetzentwurfs konzentrieren, die aufgrund unserer Perspektive besonders schwerwiegend sind. Ich komme zum Stichwort Lehrmittelfreiheit. In der Hessischen Verfassung ist die Lehrmittelfreiheit festgeschrieben. Leider wird diese soziale Errungenschaft aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weiter geschliffen werden. Herr Kollege Degen hat es gerade angesprochen. Schon jetzt ist es so, dass die steigenden Kosten für das Kopiergeld, für Taschenrechner oder für Musikinstrumente den Etat der elterlichen Haushalte erheblich belasten.

Jetzt will die schwarz-grüne Landesregierung festschreiben, dass mobile digitale Endgeräte, also Tablets, als Gegenstände geringeren Wertes gezählt werden sollen, für die die Eltern aufkommen müssen. Sie sollen also keine Lernmittel sein. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes als „Bring your own device“. Das heißt, die im Unterricht benutzten Tablets müssen selbst angeschafft und bezahlt werden.

Das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Während die Schülerinnen und Schüler aus gut betuchten Elternhäusern auf leistungsstarken und aktuellen Geräten arbeiten können, können die Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten oder mit vielen Geschwistern zusehen, wie sie mit älteren, langsamen und günstigen Tablets zurechtkommen.

Das darf und kann so nicht sein. Die Bildung darf nicht von dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein. So bekämpft man soziale Ungleichheit nicht. So manifestiert man sie.

(Beifall DIE LINKE)

Das kleine Zugeständnis, dass den Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Haushalten vom Land ein Gerät zur Verfügung gestellt werden soll, ist leider eine Scheinlösung. Das führt nämlich dazu, dass es eine Form der Beantragung für die Geräte geben muss. Zweitens führt das zur Stigmatisierung. Abgesehen davon ist bei „Bring your own device“ das Chaos bei der Wartung und beim Support angesichts der Vielzahl der Geräte schon absehbar.

Nein, wir Mitglieder der LINKEN bleiben dabei: Tablets sind Lernmittel. Denn ohne sie ist ein digitales Lernen nicht möglich. Das Land will sich vor der Kostenübernahme drücken und wird die Schülerschaft spalten. Das werden wir nicht so einfach unkommentiert hinnehmen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eine Spaltung der Schülerschaft gibt es leider schon an anderer Stelle. Es gibt sie schon länger. Dabei geht es darum, wer die Kosten für die Schülerbeförderung übernimmt. Grundschülerinnen und Grundschüler, die näher als 2 km an der Schule wohnen, oder Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen, die näher als 3 km an der Schule wohnen, schauen in die Röhre. Deren Eltern müssen auch zukünftig das Ticket zahlen.

Die Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung gibt es nur für Schülerinnen und Schüler in der Nachbarschaft, die zwar direkt nebenan, aber hinter der Grenze von 2 km bzw. 3 km wohnen. Das ist zutiefst ungerecht und wird auch von den Schülern und den Eltern so wahrgenommen. Diese unsinnige Kilometergrenze muss endlich fallen. Allen Schülerinnen und Schülern in Hessen muss ein Schülerticket zur Verfügung gestellt werden. Dafür haben wir uns als LINKE seit Einführung des Tickets eingesetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der Ausbau des Ganztagsangebots, vor allem an den Grundschulen. Aber auch da will die Landesregierung die Verantwortung vor allem nach unten abschieben. Die Planung der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2026 soll vor allem den Schulträgern, also den Kommunen, überlassen werden. Über die Schulentwicklungspläne sollen jetzt der Ausbau des Ganztagsangebots und die Umsetzung des Rechtsanspruchs erreicht werden.

Nein, die Schulentwicklungspläne der Kommunen können keine Planung auf Landesebene ersetzen. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung ab dem Jahr 2026 überall in Hessen, ob in Korbach, Bensheim oder Reiskirchen, wirklich umgesetzt werden kann. Sie können diese Verantwortung nicht auf die Schulträger abwälzen.

Der Weg der Landesregierung bei den Ganztagsangeboten ist mit dem Pakt für den Nachmittag sowieso eher die Schmalspurlösung. Er kommt nämlich gänzlich ohne Qualitätsstandards daher und kann ohne Fachkräfte umgesetzt werden. So wird auch weiterhin im Gesetz stehen, der Pakt solle – ich zitiere – „mit freien Trägern, den Eltern oder qualifizierten Personen“ umgesetzt werden. Diese Form der Dequalifizierung der Betreuung lehnen wir entschieden ab.

Ich will an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass Maßnahmen, die vom Parlament seit Jahren eingefordert werden, endlich auch umgesetzt werden. Das betrifft beispielsweise die Stärkung der Gewaltprävention und die Aufklärung an den Schulen. Das ist überfällig. Da muss die Suizidprävention unbedingt aufgenommen werden.

Auch die Stärkung der Schulaufsicht bei den Schulen in freier Trägerschaft, also bei den Privatschulen, ist zu begrüßen. Allerdings brauchen wir die vor allem hinsichtlich der Einhaltung des Sonderungsverbots. Das ist ebenfalls in der Hessischen Verfassung festgeschrieben. Die Antworten auf eine Große Anfrage von mir zu Privatschulen lassen erhebliche Zweifel zu, ob die Höhe des Schulgeldes bei einigen Privatschulen noch mit dem Sonderungsverbot im Einklang steht. Da braucht es eine Stärkung der Schulaufsicht.

(Beifall DIE LINKE)

Der Zulauf zu den Schulen in privater Trägerschaft wächst immer weiter. Das muss uns doch als Mitglieder des Landtags große Sorgen bereiten. Ich finde, die besten Schulen, in denen man gerne arbeitet und lernt, sollten überall in Hessen die öffentlichen Schulen sein. Leider hat die schwarz-grüne Landesregierung diesen Anspruch ad acta gelegt. Das ist für die überlasteten Lehrkräfte bitter. Es ist vor allen Dingen ein Bärendienst für die Schülerinnen und Schüler Hessens in der Zukunft.

Ich bin auf die Anhörung gespannt. Da stoßen bekanntermaßen die Realität und das Paralleluniversum der Landesregierung aufeinander. Ich bin gespannt, was in den Gesetzentwurf dann noch aufgenommen werden wird. Ich befürchte, es wird nicht viel sein. Aber man wird die Hoffnung nie aufgeben.

(Beifall DIE LINKE)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula zum Hessischen Schulgesetz

Elisabeth KulaBildung

In seiner 111. Plenarsitzung am 14. Juli 2022 diskutierte der Hessische Landtag zum Schulgesetz. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden un bildungspolitischen Sprecherin Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen glauben nicht an echte Chancengerechtigkeit im deutschen Schul- und Bildungssystem. 59 % halten die Aussage für eher nicht zutreffend, dass alle Kinder im Großen und Ganzen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf gute Bildung haben.

Das geht aus einer Umfrage der Initiative „Tag der Bildung“ hervor. Diese hohe Skepsis stellt bisher den höchsten und damit schlechtesten Wert seit der ersten Befragung im Jahr 2015 dar. Grund dafür sind sicherlich die sozialen Verwerfungen, die auch durch die desaströse Corona-Politik hinsichtlich der Bildung befeuert wurden.

Jetzt geht es darum, aus der Corona-Krise, den Leistungsrückständen sowie den psychischen und sozialen Problemen die Konsequenzen zu ziehen. Aufholprogramme, mit denen unter anderem die privaten Nachhilfebranchen gepampert werden, werden überhaupt nicht ausreichen. Denn damit werden die Probleme an den Schulen mitnichten dauerhaft angegangen.

Eigentlich braucht es eine neue Art der Schule. Längeres gemeinsames ganztägiges Lernen, moderne freundliche, digitale und zukunftsfähige Schulgebäude überall in Hessen, bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrkräfte, mehr Schulsozialarbeit und mehr Psychologen an den Schulen, ein pädagogisches Umdenken, weg von der starren Einteilung in Unterrichtsfächer und weg von der Notenfixierung, so muss doch der Anspruch für die Schule von morgen aussehen. Dafür müssen doch jetzt endlich die Grundlagen gelegt werden.

(Beifall Torsten Felstehausen (DIE LINKE))

Leider sieht das die Landesregierung nicht unbedingt so. So bleibt die Novelle des Schulgesetzes deutlich hinter den Anforderungen zurück, die erfüllt werden müssten, um die Bildungskrise abzuwenden. Der bildungspolitische Aufbruch, den es angesichts der Pandemie dringend bräuchte, bleibt unter Schwarz-Grün aus.

Ich will mich heute auf ein paar zentrale Punkte dieses Schulgesetzentwurfs konzentrieren, die aufgrund unserer Perspektive besonders schwerwiegend sind. Ich komme zum Stichwort Lehrmittelfreiheit. In der Hessischen Verfassung ist die Lehrmittelfreiheit festgeschrieben. Leider wird diese soziale Errungenschaft aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf weiter geschliffen werden. Herr Kollege Degen hat es gerade angesprochen. Schon jetzt ist es so, dass die steigenden Kosten für das Kopiergeld, für Taschenrechner oder für Musikinstrumente den Etat der elterlichen Haushalte erheblich belasten.

Jetzt will die schwarz-grüne Landesregierung festschreiben, dass mobile digitale Endgeräte, also Tablets, als Gegenstände geringeren Wertes gezählt werden sollen, für die die Eltern aufkommen müssen. Sie sollen also keine Lernmittel sein. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes als „Bring your own device“. Das heißt, die im Unterricht benutzten Tablets müssen selbst angeschafft und bezahlt werden.

Das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Während die Schülerinnen und Schüler aus gut betuchten Elternhäusern auf leistungsstarken und aktuellen Geräten arbeiten können, können die Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Haushalten oder mit vielen Geschwistern zusehen, wie sie mit älteren, langsamen und günstigen Tablets zurechtkommen.

Das darf und kann so nicht sein. Die Bildung darf nicht von dem Geldbeutel der Eltern abhängig sein. So bekämpft man soziale Ungleichheit nicht. So manifestiert man sie.

(Beifall DIE LINKE)

Das kleine Zugeständnis, dass den Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Haushalten vom Land ein Gerät zur Verfügung gestellt werden soll, ist leider eine Scheinlösung. Das führt nämlich dazu, dass es eine Form der Beantragung für die Geräte geben muss. Zweitens führt das zur Stigmatisierung. Abgesehen davon ist bei „Bring your own device“ das Chaos bei der Wartung und beim Support angesichts der Vielzahl der Geräte schon absehbar.

Nein, wir Mitglieder der LINKEN bleiben dabei: Tablets sind Lernmittel. Denn ohne sie ist ein digitales Lernen nicht möglich. Das Land will sich vor der Kostenübernahme drücken und wird die Schülerschaft spalten. Das werden wir nicht so einfach unkommentiert hinnehmen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Eine Spaltung der Schülerschaft gibt es leider schon an anderer Stelle. Es gibt sie schon länger. Dabei geht es darum, wer die Kosten für die Schülerbeförderung übernimmt. Grundschülerinnen und Grundschüler, die näher als 2 km an der Schule wohnen, oder Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen, die näher als 3 km an der Schule wohnen, schauen in die Röhre. Deren Eltern müssen auch zukünftig das Ticket zahlen.

Die Übernahme der Kosten für die Schülerbeförderung gibt es nur für Schülerinnen und Schüler in der Nachbarschaft, die zwar direkt nebenan, aber hinter der Grenze von 2 km bzw. 3 km wohnen. Das ist zutiefst ungerecht und wird auch von den Schülern und den Eltern so wahrgenommen. Diese unsinnige Kilometergrenze muss endlich fallen. Allen Schülerinnen und Schülern in Hessen muss ein Schülerticket zur Verfügung gestellt werden. Dafür haben wir uns als LINKE seit Einführung des Tickets eingesetzt.

(Beifall DIE LINKE)

Ein weiterer Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der Ausbau des Ganztagsangebots, vor allem an den Grundschulen. Aber auch da will die Landesregierung die Verantwortung vor allem nach unten abschieben. Die Planung der Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Betreuung in der Grundschule ab dem Jahr 2026 soll vor allem den Schulträgern, also den Kommunen, überlassen werden. Über die Schulentwicklungspläne sollen jetzt der Ausbau des Ganztagsangebots und die Umsetzung des Rechtsanspruchs erreicht werden.

Nein, die Schulentwicklungspläne der Kommunen können keine Planung auf Landesebene ersetzen. Die Landesregierung muss dafür Sorge tragen, dass der Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung ab dem Jahr 2026 überall in Hessen, ob in Korbach, Bensheim oder Reiskirchen, wirklich umgesetzt werden kann. Sie können diese Verantwortung nicht auf die Schulträger abwälzen.

Der Weg der Landesregierung bei den Ganztagsangeboten ist mit dem Pakt für den Nachmittag sowieso eher die Schmalspurlösung. Er kommt nämlich gänzlich ohne Qualitätsstandards daher und kann ohne Fachkräfte umgesetzt werden. So wird auch weiterhin im Gesetz stehen, der Pakt solle – ich zitiere – „mit freien Trägern, den Eltern oder qualifizierten Personen“ umgesetzt werden. Diese Form der Dequalifizierung der Betreuung lehnen wir entschieden ab.

Ich will an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass Maßnahmen, die vom Parlament seit Jahren eingefordert werden, endlich auch umgesetzt werden. Das betrifft beispielsweise die Stärkung der Gewaltprävention und die Aufklärung an den Schulen. Das ist überfällig. Da muss die Suizidprävention unbedingt aufgenommen werden.

Auch die Stärkung der Schulaufsicht bei den Schulen in freier Trägerschaft, also bei den Privatschulen, ist zu begrüßen. Allerdings brauchen wir die vor allem hinsichtlich der Einhaltung des Sonderungsverbots. Das ist ebenfalls in der Hessischen Verfassung festgeschrieben. Die Antworten auf eine Große Anfrage von mir zu Privatschulen lassen erhebliche Zweifel zu, ob die Höhe des Schulgeldes bei einigen Privatschulen noch mit dem Sonderungsverbot im Einklang steht. Da braucht es eine Stärkung der Schulaufsicht.

(Beifall DIE LINKE)

Der Zulauf zu den Schulen in privater Trägerschaft wächst immer weiter. Das muss uns doch als Mitglieder des Landtags große Sorgen bereiten. Ich finde, die besten Schulen, in denen man gerne arbeitet und lernt, sollten überall in Hessen die öffentlichen Schulen sein. Leider hat die schwarz-grüne Landesregierung diesen Anspruch ad acta gelegt. Das ist für die überlasteten Lehrkräfte bitter. Es ist vor allen Dingen ein Bärendienst für die Schülerinnen und Schüler Hessens in der Zukunft.

Ich bin auf die Anhörung gespannt. Da stoßen bekanntermaßen die Realität und das Paralleluniversum der Landesregierung aufeinander. Ich bin gespannt, was in den Gesetzentwurf dann noch aufgenommen werden wird. Ich befürchte, es wird nicht viel sein. Aber man wird die Hoffnung nie aufgeben.

(Beifall DIE LINKE)