Meine Reden aus der letzten Plenarsitzung

Elisabeth Kula - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein fischt mit Abschiebeoffensive am rechten Rand

Elisabeth KulaInnenpolitikMigration und IntegrationRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zu Forderungen des Ministerpräsidenten Boris Rhein nach einer ‚Abschiebeoffensive‘. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Montag, 16. Januar, war ein Interview zu lesen, in dem der Ministerpräsident und Vorsitzende der Hessen-CDU, Boris Rhein, am rechten Rand nach Wählerstimmen fischt. Unter der Überschrift „Viele sind nach Silvester beunruhigt“ verteidigte er die rassistischen Ausfälle des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz,

(Manfred Pentz (CDU): Sollen wir noch einmal das Zitat von Frau Nancy Faeser von vorhin vortragen? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

der arabische Jugendliche als „kleine Paschas“ bezeichnete. Man müsse in der Debatte auch mal zuspitzen dürfen, so der Ministerpräsident.

(Manfred Pentz (CDU): Wir lassen uns von euch nicht sagen, was wir sagen dürfen oder nicht! Sicher nicht von euch!)

Meine Damen und Herren, das war keine Zuspitzung von Herrn Merz, sondern eine rassistische Aussage, und das muss auch so klar benannt werden.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, Moment bitte. Auch die Zwischenrufe bitte etwas dosiert – im Inhalt, in der Lautstärke, in der Intelligenz.

(Heiterkeit – Zurufe)

– Das gilt für alle hier im Haus, da braucht man gar nicht von links oder rechts zu lachen. Ich behandle hier alle gleich schlecht, das weiß jeder.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Kula, Sie haben das Wort.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Aber unser Ministerpräsident redet nicht nur dem gefährlichen Unsinn seines Parteivorsitzenden das Wort, sondern ist auch noch Stichwortgeber für ganz rechts außen, wenn er im gleichen Interview von „Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ fabuliert.

(Zuruf: Stimmt doch!)

Anschließend legte er auch noch mit der Forderung nach einer „Rückführungsoffensive“ – übersetzt: jetzt schnell viele Menschen abschieben – nach.

Dann spitze ich eben auch einmal zu. Wenn wir etwas in diesem Land sicher nicht brauchen, dann sind das „kleine Paschas“ der Union, wie etwa Herr Merz, die sich rechts außen anbiedern und damit Öl ins Feuer der rechts vergifteten Debatte kippen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Robert Lambrou (AfD): Frau Wagenknecht wird das anders sehen, Frau Kollegin! Fragen Sie mal Frau Wagenknecht! – Unruhe – Glockenzeichen)

Aufgrund von Armut, Klimakatastrophe, Krieg und Verfolgung fliehen aktuell so viele Menschen wie nie zuvor aus ihrer Heimat. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Nach Hessen kamen im letzten Jahr etwa 100.000 Menschen, die hier Schutz suchten. Ja, das ist eine große Herausforderung, insbesondere für die Kommunen. Die schlagen aktuell Alarm, weil ihnen die Infrastruktur für die Unterbringung und die Versorgung von Geflüchteten fehlt.

(Max Schad (CDU): Das wissen Sie doch gar nicht!)

Warum fehlt sie? – Weil Bund und Land hier kollektiv versagt haben, die nötigen Ressourcen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, damit die Landkreise und Kommunen dieser Aufgabe auch gerecht werden können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zuruf Max Schad (CDU))

Zu den nötigen Ressourcen gehören eine bessere finanzielle Ausstattung und die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten.

Auch rechtlich muss sich etwas tun. Die Unterbringung in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen – bis zu 18 Monaten –, die wir immer kritisiert haben, führt dazu, dass die Einrichtungen sehr schnell voll sind. Die Wohnsitzauflage zwingt Geflüchtete dazu, in überfüllten Ballungsgebieten, in Gemeinschaftsunterkünften auszuharren, weil sie auf dem regulären Wohnungsmarkt mit anderen armen Menschen um den rar gesäten sozial geförderten Wohnraum konkurrieren. Der ist in Hessen bekanntermaßen so knapp wie nie.

(Zuruf Max Schad (CDU))

Die Landkreise fordern Sie, Herr Rhein, und die Landesregierung auf, endlich zu handeln und sie bei der Unterbringung und Verpflegung besser zu unterstützen. Stattdessen tragen Sie Ihre eigenen Verfehlungen auf dem Rücken der Schutzsuchenden aus.

(Zuruf Manfred Pentz (CDU))

Ich finde das abstoßend, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Und jetzt? Eine Abschiebeoffensive zu fordern, ist auch irreführend. Mit 72 % ist die Anerkennungsquote für Schutzgewährung durch das Bundesamt so hoch wie nie. Im Klartext heißt das, dass die weit überwiegende Mehrheit der – Zitat – „illegal Eingereisten“, von denen Sie gesprochen haben, Menschen mit einem begründeten Schutzbegehren sind. Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis, und erzählen Sie nicht so einen gefährlichen Unsinn.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Was ist denn mit denen, die abschiebepflichtig sind?)

Offensichtlich wollen Sie mit Ihren Äußerungen von dem kollektiven Versagen von Bund und Land ablenken.

Als LINKE stellen wir uns gegen solche Versuche, die Debatten und die Politik nach rechts zu verschieben. Wir verurteilen Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten sowie das Gegeneinander-Ausspielen der Schwächsten unserer Gesellschaft. Wir wollen die Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten besser unterstützten und in sozialen Wohnungsbau und Integration statt in Abschiebung und Abschottung investieren.

Aber besonders auffällig ist doch das Schweigen der GRÜNEN. Kein Wort vom Koalitionspartner zu dem rechts blinkenden Ministerpräsidenten.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ja, die schweigen da!)

Mich würde interessieren: War die Forderung nach einer solchen Rückführungsoffensive abgesprochen? Teilen Sie diese Auffassung? Kommen denn die Hilferufe aus den Landkreisen bei Ihnen an? – Schweigen im grünen Walde.

Wir als LINKE werden uns dieser Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten immer entgegenstellen, egal ob sie von ganz rechts außen oder von der Regierungsbank kommt.

(Beifall DIE LINKE)

Aktuelle Pressemeldungen

Elisabeth Kula - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein fischt mit Abschiebeoffensive am rechten Rand

Elisabeth KulaInnenpolitikMigration und IntegrationRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zu Forderungen des Ministerpräsidenten Boris Rhein nach einer ‚Abschiebeoffensive‘. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Montag, 16. Januar, war ein Interview zu lesen, in dem der Ministerpräsident und Vorsitzende der Hessen-CDU, Boris Rhein, am rechten Rand nach Wählerstimmen fischt. Unter der Überschrift „Viele sind nach Silvester beunruhigt“ verteidigte er die rassistischen Ausfälle des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz,

(Manfred Pentz (CDU): Sollen wir noch einmal das Zitat von Frau Nancy Faeser von vorhin vortragen? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

der arabische Jugendliche als „kleine Paschas“ bezeichnete. Man müsse in der Debatte auch mal zuspitzen dürfen, so der Ministerpräsident.

(Manfred Pentz (CDU): Wir lassen uns von euch nicht sagen, was wir sagen dürfen oder nicht! Sicher nicht von euch!)

Meine Damen und Herren, das war keine Zuspitzung von Herrn Merz, sondern eine rassistische Aussage, und das muss auch so klar benannt werden.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, Moment bitte. Auch die Zwischenrufe bitte etwas dosiert – im Inhalt, in der Lautstärke, in der Intelligenz.

(Heiterkeit – Zurufe)

– Das gilt für alle hier im Haus, da braucht man gar nicht von links oder rechts zu lachen. Ich behandle hier alle gleich schlecht, das weiß jeder.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Kula, Sie haben das Wort.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Aber unser Ministerpräsident redet nicht nur dem gefährlichen Unsinn seines Parteivorsitzenden das Wort, sondern ist auch noch Stichwortgeber für ganz rechts außen, wenn er im gleichen Interview von „Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ fabuliert.

(Zuruf: Stimmt doch!)

Anschließend legte er auch noch mit der Forderung nach einer „Rückführungsoffensive“ – übersetzt: jetzt schnell viele Menschen abschieben – nach.

Dann spitze ich eben auch einmal zu. Wenn wir etwas in diesem Land sicher nicht brauchen, dann sind das „kleine Paschas“ der Union, wie etwa Herr Merz, die sich rechts außen anbiedern und damit Öl ins Feuer der rechts vergifteten Debatte kippen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Robert Lambrou (AfD): Frau Wagenknecht wird das anders sehen, Frau Kollegin! Fragen Sie mal Frau Wagenknecht! – Unruhe – Glockenzeichen)

Aufgrund von Armut, Klimakatastrophe, Krieg und Verfolgung fliehen aktuell so viele Menschen wie nie zuvor aus ihrer Heimat. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Nach Hessen kamen im letzten Jahr etwa 100.000 Menschen, die hier Schutz suchten. Ja, das ist eine große Herausforderung, insbesondere für die Kommunen. Die schlagen aktuell Alarm, weil ihnen die Infrastruktur für die Unterbringung und die Versorgung von Geflüchteten fehlt.

(Max Schad (CDU): Das wissen Sie doch gar nicht!)

Warum fehlt sie? – Weil Bund und Land hier kollektiv versagt haben, die nötigen Ressourcen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, damit die Landkreise und Kommunen dieser Aufgabe auch gerecht werden können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zuruf Max Schad (CDU))

Zu den nötigen Ressourcen gehören eine bessere finanzielle Ausstattung und die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten.

Auch rechtlich muss sich etwas tun. Die Unterbringung in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen – bis zu 18 Monaten –, die wir immer kritisiert haben, führt dazu, dass die Einrichtungen sehr schnell voll sind. Die Wohnsitzauflage zwingt Geflüchtete dazu, in überfüllten Ballungsgebieten, in Gemeinschaftsunterkünften auszuharren, weil sie auf dem regulären Wohnungsmarkt mit anderen armen Menschen um den rar gesäten sozial geförderten Wohnraum konkurrieren. Der ist in Hessen bekanntermaßen so knapp wie nie.

(Zuruf Max Schad (CDU))

Die Landkreise fordern Sie, Herr Rhein, und die Landesregierung auf, endlich zu handeln und sie bei der Unterbringung und Verpflegung besser zu unterstützen. Stattdessen tragen Sie Ihre eigenen Verfehlungen auf dem Rücken der Schutzsuchenden aus.

(Zuruf Manfred Pentz (CDU))

Ich finde das abstoßend, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Und jetzt? Eine Abschiebeoffensive zu fordern, ist auch irreführend. Mit 72 % ist die Anerkennungsquote für Schutzgewährung durch das Bundesamt so hoch wie nie. Im Klartext heißt das, dass die weit überwiegende Mehrheit der – Zitat – „illegal Eingereisten“, von denen Sie gesprochen haben, Menschen mit einem begründeten Schutzbegehren sind. Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis, und erzählen Sie nicht so einen gefährlichen Unsinn.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Was ist denn mit denen, die abschiebepflichtig sind?)

Offensichtlich wollen Sie mit Ihren Äußerungen von dem kollektiven Versagen von Bund und Land ablenken.

Als LINKE stellen wir uns gegen solche Versuche, die Debatten und die Politik nach rechts zu verschieben. Wir verurteilen Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten sowie das Gegeneinander-Ausspielen der Schwächsten unserer Gesellschaft. Wir wollen die Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten besser unterstützten und in sozialen Wohnungsbau und Integration statt in Abschiebung und Abschottung investieren.

Aber besonders auffällig ist doch das Schweigen der GRÜNEN. Kein Wort vom Koalitionspartner zu dem rechts blinkenden Ministerpräsidenten.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ja, die schweigen da!)

Mich würde interessieren: War die Forderung nach einer solchen Rückführungsoffensive abgesprochen? Teilen Sie diese Auffassung? Kommen denn die Hilferufe aus den Landkreisen bei Ihnen an? – Schweigen im grünen Walde.

Wir als LINKE werden uns dieser Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten immer entgegenstellen, egal ob sie von ganz rechts außen oder von der Regierungsbank kommt.

(Beifall DIE LINKE)

Von Menschenrechten, Papierschiffchen und der Überzeugung zu den Guten zu gehören

Heute fand eine Debatte im Hessischen Landtag statt, die auf vielfältige Art und Weise gesellschaftliche Realitäten, Mehrheitsverhältnisse und Einblicke in politische und psychologische Verarbeitungsprozesse offenlegte. Als Linksfraktion haben wir einen Antrag mit dem Thema der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und der hessischen Flüchtlingspolitik zum Setzpunkt gemacht – schließlich ist Innenministerin Nancy Faeser, die die GEAS-Reform mit vorangebracht hat, auch Spitzenkandidatin der hessischen SPD. Jüngste Abschiebefälle aus Hessen, wie der von Mustafa Kal, dem kurdischstämmigen 19-jährigen Bäckerlehrling im zweiten Lehrjahr, der in den Räumen des Kasseler Rathauses festgenommen und nach Frankfurt zum Flughafen deportiert und abgeschoben worden war, zeigen, dass der Skandal-Innenminister Beuth alle Spielräume ausnutzt, um Geflüchteten das Leben möglichst schwer zu machen.

Auf Europäischer Ebene geht es hauptsächlich um Abschottung und Entrechtung von Geflüchteten, in Hessen darum wie man die Geflüchteten, die es hier her schaffen, wieder los werden kann. Diese Entwicklung hin zur weiteren Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl auf allen politischen Ebenen, auch auf Grund des Aufstiegs der europäischen extremen Rechten, haben wir im Landtag zum Thema gemacht. Die Debatte, die im Landtag zu unserem Setzpunkt folgte, stellt aber einen denkwürdigen parlamentarischen Tiefpunkt dar. Sie zeugte von Unkenntnissen und Leugnungen über die Beschlüsse des Europäischen Rates zur GEAS-Reform und deren Auswirkungen.

Die Redner:innen von SPD und Grünen verbreiteten zum großen Teil die gleichen Desinformationen zu GEAS wie Bundesinnenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock.  

So wurde von der SPD-Rednerin behauptet, niemand wolle Menschen in Lager stecken. Der Grünen-Redner, ihr Fraktionsvorsitzener Matthias Wagner, versuchte bemüht nachdenklich zu argumentieren, man habe sich ja schwer getan, und ein historischer Erfolg, wie Faeser die Reform nannte, sei sie nun auch nicht, aber es habe eben eine europäische Reform gebraucht, ansonsten sei ja der Schengenraum und das das europäische Asylsystem generell in Gefahr, deswegen habe dann auch Annalena Baerbock zustimmen müssen. Von beiden Fraktionen kam außerdem die Behauptung, die Bedingungen in den Hotspot-Lagern würden sich durch die Reform verbessern und EU-Staaten würden verpflichtet werden, Geflüchtete aufzunehmen.

Nichts davon stimmt – zumindest fast. Einige Argumente sind nur Schutzbehauptungen oder irreleitend. Die massive Ahnungslosigkeit oder bewusste Desinformation kennt man ansonsten nur von der rechten politischen Seite. Es scheint so als müssten sich die Abgeordneten von SPD und Grünen selbst versichern: Wir sind die Guten! Und: Es kann nicht sein was nicht sein darf! Es ist nicht möglich, dass wir dafür wirklich Verantwortung tragen sollen, dass in Zukunft noch mehr Menschen, auch Kinder, und Geflüchtete aus Kriegsgebieten, in haftähnlichen Bedingungen an den europäischen Außengrenzen eingesperrt werden sollen.

Dabei ist es genau das: ProAsyl, Flüchtlingsrat und andere Expert:innen beten die Folgen der GEAS-Reform seit Wochen rauf und runter. Sie stellt einen Pakt mit den rechten Kräften Europas dar, und ist eine Verschlechterung für die Menschenrechte als der sowieso katastrophale Status-Quo. Mit GEAS werden die Lager und die Schnellverfahren verrechtlicht.

Aber Europäische Gesetzgebung und Europäisches Recht wird von SPD und Grünen nur sehr selektiv wahrgenommen. Dass es jetzt schon Verteilungsmechanismen und Verpflichtungen zur Qualität der Unterbringung in den Hotspots gibt, die aber schlichtweg nicht eingehalten werden, wird ignoriert. Man will sich naiv an den Glauben klammern, dass mit den von ihnen mitgetragenen Reformen es doch irgendwie besser werden muss weil man sich doch jetzt auf bessere Standards geeinigt habe.

Diese Realitätsverweigerung, damit man sich weiterhin zu den Guten zählen kann, ist schwer erträglich und wirft die Frage auf, wann man überhaupt noch faktenbasiert diskutieren kann.

Der Versuch der AfD-Rassist:innen und Chauvinisten, Waffenlieferungen und Fluchtursachen zu kritisieren wird natürlich durch die militaristische und nationalistische Grundhaltung der Partei ad absurdum geführt. Ist es doch die AfD, die die Bundeswehr zu einer Interventionsarmee umbauen lassen will und gleichzeitig andere Fluchtursachen wie den Klimawandel permanent leugnet.

Perfiderweise hat nicht die braun-blaue AfD den bösartigsten Redebeitrag in der Debatte gehalten, sondern die regierungstragende CDU-Fraktion. Der schlimmste Redebeitrag kam mit Abstand von CDU-Abgeordneten Hering, der in rechtspopulistischer Manier die Einwanderung in die Sozialsysteme durch Geflüchtete beklagte, die Grenzen der Aufnahmekapazität beschwor und die vermeintliche Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ins Feld zog, nach der man sich doch richten müsse. Abgesehen davon, dass es auch einen relevanten Teil der Gesellschaft gibt, die Angst vor dem Rechtsruck, vor der Übernahme rechter Inhalte und Politik durch Konservative und die selbsternannte politische Mitte haben, hat diese Rede alle Kriterien einer aufhetzenden und Ressentiment-schürenden Stimmungsmache erfüllt. Die Merz-CDU auf dem strammen Weg nach rechts - auch in Hessen. Die Grünen saßen als Koalitionspartner etwas peinlich berührt daneben – Kontra gab es aber nicht, schließlich will man diese Koalition um jeden Preis bis ans Ende der Legislatur weiterführen. Eine SPD-Abgeordnete wies den CDU-Abgeordneten zur Raison und rügte seine Wortwahl, aber nicht ohne anschließend wieder die gleichen Mythen zur GEAS-Reform zu verbreiten – schließlich sind sie ja die Guten!   

Landespolitische Themen spielten in der Debatte kaum eine Rolle, zu emotional die Diskussion um Asylrecht der EU. Richtig empört wurde der parlamentarische Geschäftsführer der CDU erst dann, als am Ende der Debatte klar wurde, dass die kleinen orangenen Papierschiffchen, die wir gebastelt und vor uns aufgestellt haben, fotografiert und die Fotos ins Internet gestellt wurden. Ein brutaler Angriff auf die Innenministerin sei das. Nun denn – wenn das Aufstellen und Fotografieren von Papierschiffchen als brutaler angesehen wird und für mehr Aufregung sorgt als das massenhafte und bewusste Sterbenlassen von Menschen im Mittelmeer und an Europas Grenzen – dann kann sich die AfD auf die rechte Schulter klopfen. Die Dammbrüche gegen das Recht auf Asyl  und die zunehmende Entrechtung geflüchteter Menschen treiben auch im Hessischen Landtag Blüten. Von der CDU kann man keine Brandmauer erwarten. SPD und Grüne werden den nötigen Realitätscheck bekommen. Nämlich dann wenn sie beklagen, dass noch mehr Menschen auf der Flucht nach Europa ihr Leben lassen mussten.

 

 

 

Aktuelle parlamentarische Initiativen

Elisabeth Kula - Hessens Ministerpräsident Boris Rhein fischt mit Abschiebeoffensive am rechten Rand

Elisabeth KulaInnenpolitikMigration und IntegrationRegierung und Hessischer Landtag

In seiner 126. Plenarsitzung am 26. Januar 2023 diskutierte der Hessische Landtag unsere Aktuelle Stunde zu Forderungen des Ministerpräsidenten Boris Rhein nach einer ‚Abschiebeoffensive‘. Dazu die Rede unserer Vorsitzenden Elisabeth Kula.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren!

In der „Frankfurter Rundschau“ vom letzten Montag, 16. Januar, war ein Interview zu lesen, in dem der Ministerpräsident und Vorsitzende der Hessen-CDU, Boris Rhein, am rechten Rand nach Wählerstimmen fischt. Unter der Überschrift „Viele sind nach Silvester beunruhigt“ verteidigte er die rassistischen Ausfälle des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz,

(Manfred Pentz (CDU): Sollen wir noch einmal das Zitat von Frau Nancy Faeser von vorhin vortragen? – Weitere Zurufe – Glockenzeichen)

der arabische Jugendliche als „kleine Paschas“ bezeichnete. Man müsse in der Debatte auch mal zuspitzen dürfen, so der Ministerpräsident.

(Manfred Pentz (CDU): Wir lassen uns von euch nicht sagen, was wir sagen dürfen oder nicht! Sicher nicht von euch!)

Meine Damen und Herren, das war keine Zuspitzung von Herrn Merz, sondern eine rassistische Aussage, und das muss auch so klar benannt werden.

(Beifall DIE LINKE – Unruhe – Glockenzeichen)

Vizepräsident Frank Lortz:

Meine Damen und Herren, Moment bitte. Auch die Zwischenrufe bitte etwas dosiert – im Inhalt, in der Lautstärke, in der Intelligenz.

(Heiterkeit – Zurufe)

– Das gilt für alle hier im Haus, da braucht man gar nicht von links oder rechts zu lachen. Ich behandle hier alle gleich schlecht, das weiß jeder.

(Heiterkeit)

Frau Kollegin Kula, Sie haben das Wort.

Elisabeth Kula (DIE LINKE):

Aber unser Ministerpräsident redet nicht nur dem gefährlichen Unsinn seines Parteivorsitzenden das Wort, sondern ist auch noch Stichwortgeber für ganz rechts außen, wenn er im gleichen Interview von „Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme“ fabuliert.

(Zuruf: Stimmt doch!)

Anschließend legte er auch noch mit der Forderung nach einer „Rückführungsoffensive“ – übersetzt: jetzt schnell viele Menschen abschieben – nach.

Dann spitze ich eben auch einmal zu. Wenn wir etwas in diesem Land sicher nicht brauchen, dann sind das „kleine Paschas“ der Union, wie etwa Herr Merz, die sich rechts außen anbiedern und damit Öl ins Feuer der rechts vergifteten Debatte kippen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und SPD – Robert Lambrou (AfD): Frau Wagenknecht wird das anders sehen, Frau Kollegin! Fragen Sie mal Frau Wagenknecht! – Unruhe – Glockenzeichen)

Aufgrund von Armut, Klimakatastrophe, Krieg und Verfolgung fliehen aktuell so viele Menschen wie nie zuvor aus ihrer Heimat. Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Nach Hessen kamen im letzten Jahr etwa 100.000 Menschen, die hier Schutz suchten. Ja, das ist eine große Herausforderung, insbesondere für die Kommunen. Die schlagen aktuell Alarm, weil ihnen die Infrastruktur für die Unterbringung und die Versorgung von Geflüchteten fehlt.

(Max Schad (CDU): Das wissen Sie doch gar nicht!)

Warum fehlt sie? – Weil Bund und Land hier kollektiv versagt haben, die nötigen Ressourcen und rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen, damit die Landkreise und Kommunen dieser Aufgabe auch gerecht werden können, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD – Zuruf Max Schad (CDU))

Zu den nötigen Ressourcen gehören eine bessere finanzielle Ausstattung und die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten.

Auch rechtlich muss sich etwas tun. Die Unterbringung in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen – bis zu 18 Monaten –, die wir immer kritisiert haben, führt dazu, dass die Einrichtungen sehr schnell voll sind. Die Wohnsitzauflage zwingt Geflüchtete dazu, in überfüllten Ballungsgebieten, in Gemeinschaftsunterkünften auszuharren, weil sie auf dem regulären Wohnungsmarkt mit anderen armen Menschen um den rar gesäten sozial geförderten Wohnraum konkurrieren. Der ist in Hessen bekanntermaßen so knapp wie nie.

(Zuruf Max Schad (CDU))

Die Landkreise fordern Sie, Herr Rhein, und die Landesregierung auf, endlich zu handeln und sie bei der Unterbringung und Verpflegung besser zu unterstützen. Stattdessen tragen Sie Ihre eigenen Verfehlungen auf dem Rücken der Schutzsuchenden aus.

(Zuruf Manfred Pentz (CDU))

Ich finde das abstoßend, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Und jetzt? Eine Abschiebeoffensive zu fordern, ist auch irreführend. Mit 72 % ist die Anerkennungsquote für Schutzgewährung durch das Bundesamt so hoch wie nie. Im Klartext heißt das, dass die weit überwiegende Mehrheit der – Zitat – „illegal Eingereisten“, von denen Sie gesprochen haben, Menschen mit einem begründeten Schutzbegehren sind. Nehmen Sie das doch bitte endlich einmal zur Kenntnis, und erzählen Sie nicht so einen gefährlichen Unsinn.

(Beifall DIE LINKE – Robert Lambrou (AfD): Was ist denn mit denen, die abschiebepflichtig sind?)

Offensichtlich wollen Sie mit Ihren Äußerungen von dem kollektiven Versagen von Bund und Land ablenken.

Als LINKE stellen wir uns gegen solche Versuche, die Debatten und die Politik nach rechts zu verschieben. Wir verurteilen Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten sowie das Gegeneinander-Ausspielen der Schwächsten unserer Gesellschaft. Wir wollen die Landkreise bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten besser unterstützten und in sozialen Wohnungsbau und Integration statt in Abschiebung und Abschottung investieren.

Aber besonders auffällig ist doch das Schweigen der GRÜNEN. Kein Wort vom Koalitionspartner zu dem rechts blinkenden Ministerpräsidenten.

(Dr. Stefan Naas (Freie Demokraten): Ja, die schweigen da!)

Mich würde interessieren: War die Forderung nach einer solchen Rückführungsoffensive abgesprochen? Teilen Sie diese Auffassung? Kommen denn die Hilferufe aus den Landkreisen bei Ihnen an? – Schweigen im grünen Walde.

Wir als LINKE werden uns dieser Stimmungsmache gegen Geflüchtete und Migranten immer entgegenstellen, egal ob sie von ganz rechts außen oder von der Regierungsbank kommt.

(Beifall DIE LINKE)